Kunsthalle Memmingen zeigt Fotoarbeiten von Julius Guggenheimer

Über 70 Jahre lang hat niemand mehr die Aufnahmen gesehen, die Julius Guggenheimer zu Beginn der dreißiger Jahre in der Benediktinerabtei Ottobeuren gemacht hatte. Die Fotografien zeigen Mönche im Gebet und bei der Arbeit sowie franziskanische Ordensfrauen, die sich zu jener Zeit im Kinderheim um die Mädchen kümmerten und auch die Küche versorgten. Kaum jemand wusste noch, dass diese Aufnahmen überhaupt existierten. Zwar hatte Lorle Michaelis, die Tochter Guggenheimers in einem Gespräch einmal "seine Licht- und Schattenstudien im Kloster Ottobeuren" erwähnt, doch mussten sie als verloren gelten, wie so viele andere Dokumente und Kunstwerke dieser Zeit.

Julius Guggenheimer hatte die Glasnegative mit ins Exil nach Amsterdam genommen. Sie waren ihm ein wichtiger Besitz, der ihn wohl an die Heimat erinnerte, der ihm aber auch als Referenz dienen und seine Fähigkeiten als Fotograf unter Beweis stellen konnte. Einige wenige Aufnahmen wurden in Fotozeitschriften veröffentlicht. Bevor er 1943 nach Westerbork deportiert und später in Sobibór ermordet wurde, übergab er diese Platten an Paul A. J. Wijnhoff, der ihm in seinem Fotografischen Atelier gelegentlich assistiert hatte. Wijnhoff verwahrte die Negative sicher, und nach seinem Tod kamen sie mit seinem Nachlass zunächst ins Stadsarchief Amsterdam und von dort ins Nederlands Fotomuseum in Rotterdam.

Nach so vielen Jahren ist dies ein ganz außergewöhnlicher Fund, denn die Bilder sind eindringliches Zeugnis der Künstlerpersönlichkeit Julius Guggenheimers. Seine Fotografien pittoresker Gassen und Kanäle in seiner Heimatstadt Memmingen führten längst schon den Beweis über seine Kunstfertigkeit, doch diese Studien des Klosterlebens gehen weit darüber hinaus. Sie sind nicht mehr einzelnes Bild sondern künstlerisches Projekt.

Auch eröffnen sie interessante Fragen über die Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Religion. Dies war nicht einfach ein jüdischer Fotograf, der in einem Kloster fotografierte. Die katholischen Mönche und Priester, wie auch die Nonnen, arbeiteten gemeinsam mit ihm an diesen Bildern. Sie standen Modell und spielten auch unterschiedliche Rollen. Durch den Fund der Fotos aus Rotterdam konnten auch im Archiv der Benediktinerabtei noch einige Negative von Guggenheimer identifiziert werden. Sie zeigen alle den damaligen Pfarrer von Ottobeuren, P. Wolfgang Fella, und legen nahe, dass diese Kollaboration ein Resultat des Austauschs zwischen ihm und Julius Guggenheimer war.

Julius Guggenheimer (* 18. Februar 1885 in Memmingen – † 4. Juni 1943 in Sobibór) war ein Memminger Kaufmann und Fotograf. Mit seiner Familie lebte er in der Kalchstraße 8, die Firma J.B. Guggenheimer En Gros-Haus für Kurz-, Woll- und Galanteriewaren befand sich in der Kalchstraße 47. Mit den zunehmenden Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung wurde die Familie 1939 ins Exil gezwungen. Den Kindern gelang die Ausreise nach England, Julius und Regina (Nelly) Guggenheimer emigrierten nach Amsterdam. Dort betrieb Guggenheimer ein Fotografisches Atelier bis er und Nelly 1943 nach Westerbork und schließlich nach Sobibòr deportiert wurden, wo sie am Tag ihrer Ankunft ermordet wurden.


Julius Guggenheimer
29. Januar bis 19. Juni 2016
Eröffnung: Do 28. Januar 16, 19 Uhr