Konstruktiv-konkrete Werke von Hedi Mertens

Bis 5. Mai zeigt das Museum Haus Konstruktiv in Zürich in einer Retrospektive das Werk von Hedi Mertens (1893 - 1982). Die Schweizer Künstlerin leistete mit ihrem vergleichsweise spät einsetzenden, meist auf systematischen Untersuchungen des Quadrats basierenden Œuvre einen wichtigen Beitrag zur konstruktiv-konkreten Kunst.

Als Hedi Mertens 1960 mit dem Malen konstruktiv-konkreter Werke beginnt, ist sie 67 Jahre alt. Dieser späte Auftakt erstaunt insofern, als sich Mertens bereits 1912 entschloss, eine klassische Kunstausbildung in der Schweiz und in Deutschland zu absolvieren. Nach einigen frühen expressionistischen Gemälden hört sie in den 1930er-Jahren mit dem Malen auf – ihr Interesse an Kunst indes bleibt. Als scharfsinnige Beobachterin der aktuellen Szene steht sie in regem Austausch mit kunst- und kulturaffinen Personen, die bei ihr und ihrem Ehemann Walter Mertens auf dem Bünishof in Feldmeilen zwischen 1930 und 1944 ein- und ausgehen. Neben der Beschäftigung mit spirituellen Fragen – Mertens wird 1938/39 in einem Ashram in Indien leben – sind es Begegnungen mit den konstruktiv-konkret arbeitenden Künstlern Leo Leuppi und Richard Paul Lohse, die ihr Kunstverständnis nachhaltig prägen. Vor allem mit Lohse pflegt sie einen engen Kontakt. Sie wird sich immer wieder über "Probleme konstruktiver Formulierungen" mit ihm austauschen. "Ich male Bilder, den Ihren verwandt aber nur im Traum", schreibt sie ihm 1951 in einem Brief.

Es vergehen noch weitere neun Jahre, bis Mertens – mittlerweile mit dem deutlich jüngeren Arend Fuhrmann (1918 - 1984) in einer Wohngemeinschaft im Tessiner Dorf Carona lebend – ihre künstlerische Arbeit wieder aufnimmt. Angeregt durch einen Vortrag über chinesische Musik und in Auseinandersetzung mit der geometrischen Abstraktion erschafft sie in nicht einmal zwei Jahrzehnten ein beeindruckend reifes, rund 200 Arbeiten umfassendes Œuvre, in dem die Quadratform in unterschiedlichsten Variationen und Farbabstufungen in Erscheinung tritt.

Das Haus Konstruktiv hat Hedi Mertens bereits 1989 in der Gruppenausstellung "Fünf Malerinnen aus einer Generation. Gisela Andersch, Vera Haller, Jenny Losinger-Ferri, Hedi Mertens, Elsy Wiskemann" gezeigt. Nun, rund 25 Jahre später, widmen wir ihr eine eigene Retrospektive, die im letzten Raum des vierten Obergeschosses beginnt und mit Werken aus der letzten Schaffensphase im dritten Stockwerk endet.

Das Œuvre von Hedi Mertens ist gekennzeichnet durch die Dualität von Logik und Intuition. Rationale Strenge äussert sich primär in der konsequenten Verwendung des Quadrats, sei es als bildbestimmendes Format – bisweilen auch auf die Spitze gestellt oder vervielfacht in einem Querformat –, oder als Grundmodul, mit dem die Künstlerin ihre Bilder mittels Rasterung, Teilung, Vervielfachung, Spiegelung und anderen geometrischen Operationen systematisch organisiert. Dieser rationalen Vorgehensweise steht ein freier, intuitiver Umgang mit Farbe gegenüber, durch den sich Mertens von ihren Kollegen aus dem Kreis der Zürcher Konkreten deutlich abgrenzt. Keiner inhärenten Farblogik folgend verwendet Mertens Primärfarben, Schwarz und Weiss, zarte Pastelltöne sowie kräftig leuchtende Mischfarben in verschiedenen Abstufungen, die sie teils deckend, teils lasierend, teils wolkig und oft auch homogen auf die Leinwand aufträgt. Dies führt zu Farbkontrasten und -kombinationen, die im Kontext der konstruktiv-konkreten Kunst als durchaus unkonventionell einzustufen sind.

Hedi Mertens
Logik und Intuition
Bis 5. Mai 2024