"Klee & Kandinsky" im Zentrum Paul Klee

Paul Klee (1879–1940) und Wassily Kandinsky (1866–1944) gelten als Gründungsväter der abstrakten Kunst und sind zugleich eines der grossen Freundespaare in der Kunstgeschichte. Die Ausstellung verrät viel über den schmalen Grat zwischen Freundschaft und Rivalität, zwischen gegenseitiger künstlerischer Anregung und Abgrenzung, aber auch zwischen Erfolg und Verfemung.

Neben Preziosen aus den eigenen Häusern versammeln das Zentrum Paul Klee und seine Partnerin, die Städtische Galerie im Lenbachhaus München, über 180 Bilder aus den renommiertesten Museen der Welt vom Centre Georges Pompidou in Paris über die Nationalgalerie Berlin bis zum New Yorker Guggenheim Museum.

Die Ausstellung umfasst den Zeitraum von 1900 bis 1940 und gliedert sich in acht Themenbereiche, die innerhalb der Werkchronologie inhaltliche Schwerpunkte setzen. Der erste Teil ist der sehr unterschiedlichen künstlerische Entwicklung der beiden Maler auf dem Weg zur Avantgarde zwischen 1900 bis 1910 gewidmet. Kandinsky greift dabei auf Vorbilder der russischen Volkskunst zurück, Klee entdeckt seine eigenen Kinderzeichnungen. Thematisch steht dabei die satirische Skepsis Klees dem Idealismus Kandinskys gegenüber. Den ersten Höhepunkt der Ausstellung bildet die Zeit des Blauen Reiters von 1910 bis 1914, die durch ein grosses Ungleichgewicht geprägt ist: Kandinsky ist mit seinen revolutionären, abstrakten grossformatigen Gemälden – den berühmten "Improvisationen" und "Kompositionen" – auf dem ersten Höhepunkt seiner Laufbahn, Klee ist noch ein Suchender, der sich an die Farbe herantastet.

Der zweite Teil der Ausstellung ist der gemeinsamen, äusserst fruchtbaren Zeit der beiden Künstler am Bauhaus in Weimar und Dessau zwischen 1922 und 1931 gewidmet. Als Klee und Kandinsky nach der zeitlichen Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg zu Beginn der 1920er-Jahre im Bauhaus erneut zusammentreffen, hat sich ihr gegenseitiger Status geändert. Klee hat sich zu einer wichtigen Künstlerfigur der Weimarer Republik entwickelt, Kandinsky muss neu beginnen. Künstlerisch gesehen ist Klees Werk der Weimarer Zeit pluralistisch und reicht von erzählerischen Szenen bis zu beinahe abstrakten Arbeiten. Kandinsky dagegen strebt einen "Generalbass" der Malerei auf der Grundlage fester Farb- und Form-Verhältnisse an.

Die Jahre am Dessauer Bauhaus bilden den eigentlichen Höhepunkt der Ausstellung und zeigen die gegenseitige Annäherung von Klee und Kandinsky in den Jahren 1925 bis 1933, die so weit ging, dass selbst manche Zeitgenossen ihre Werke verwechselten. Während bei Klee eine Formalisierung und Geometrisierung festzustellen ist, stellt sich bei Kandinsky eine Lockerung seines strengen Bildvokabulars ein. Die Präsentation wird hier inhaltlich gegliedert und in spannenden Bildvergleichen wie "Gleichgewicht und Balance", "Abstraktion und Figuration", "am Rande der Natur", «Bewegung und Kosmos» sowie das für beide Künstler so wichtige Thema der bildnerischen Darstellung von "Musik" beleuchtet.

Eine beklemmende Perspektive eröffnet die Sektion mit dem Titel "Stichjahr 1933", die den tiefgreifenden Konsequenzen gewidmet ist, die die nationalsozialistische Machtergreifung für beide Künstler hatte. Klee wurde als Professor entlassen, Kandinsky sah sich mit der bevorstehenden Schliessung des Bauhauses konfrontiert. Beide reagierten auf die nationalsozialistische Machtergreifung auch künstlerisch.

Der dritte Teil der Ausstellung unter dem Titel Neuanfang ist dem Schaffen nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten gewidmet. Sowohl Klee als auch Kandinsky gehen noch im Jahr 1933 ins Exil und müssen sich an ihren neuen Lebensorten behaupten: Klee in Bern, Kandinsky in Paris. Beide erfinden sich als Künstler in diesen Jahren noch einmal neu: Kandinskys Werke mit ihren biomorphen Formen wirken geradezu verspielt im Vergleich zu seiner Bauhauszeit, während Klee zum Maler grossformatiger, wunderbar farbige Gemälde wird.

Die Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum Paul Klee und dem Lenbachhaus München ist eine ideale Konstellation für dieses internationale Grossprojekt, gelten diese Museen doch als Kompetenzzentren für die beiden Künstler, sowohl was ihre Sammlungsbestände wie auch ihren Forschungshintergrund betrifft. Erstaunlicherweise ist diese vielleicht interessanteste Künstlerpaarung der Kunstgeschichte überhaupt zwar stets gepriesen worden, aber noch nie in einer Ausstellung und einer Publikation umfassend untersucht worden. Welche Bedeutung die Ausstellung besitzt, belegt der Umstand, dass die bedeutendsten Museen und Sammlungen der Welt sich bereit erklärt haben, Schlüsselwerke von Klee und Kandinsky nach Bern und nach München zu entsenden.


Klee & Kandinsky
19. Juni bis 27. September 2015