Kino für die Ohren

17. August 2011 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Seit wann es Bildtelefone gibt? Seit etwa 1925! Der Alleinherrscher der Stadt Metropolis befahl zu jener Zeit Grot, dem Wächter der Herzmaschine, via Bildtelefon das Tor zu öffnen. Es ist wohl der bekannteste deutsche Stummfilm. Fritz Lang drehte ihn in den Jahren 1925 und 1926 in den Babelsberger Filmstudios. Die Produktionskosten von etwa 5 Millionen Reichsmark machten Metropolis zum seinerzeit teuersten Film der deutschen Filmgeschichte.

Die Zensurkarte der Originalfassung deklarierte den Film gar als nicht jugendfrei! Vielleicht weil er zu fürchterlich gewesen ist? Mir jedenfalls scheinen Tinky-Winky, Dipsy, Laa-Laa und Po um ein vielfaches Grauen erregender. Sei’s drum, war es eben eine ganz andere Zeit. War sie das wirklich? Ober- und Unterschicht, die Einen arbeiten, damit jene Anderen ihr Leben genießen können, in der Euphorie und dem sich Drehen um das Ich, werden Kinder vergessen und sich selbst überlassen, das Finden einer gemeinsamen Sprache scheint unmöglich, die Liebe macht was sie will und nimmt mal wieder keine Rücksicht auf Oben und Unten.

Ebenfalls keine Rücksicht nahmen die damaligen Zuschauer. Es war ihnen wurscht, wie viel der Film kostete, daß rund 300 Modellautos nach jeder Einzelbildaufnahme millimeterweise bewegt werden mußten, oder daß 8 Tage Arbeit für 10 Sekunden Film benötigt wurden. Sie wollten diesen Film nicht sehen und fanden ihn, gelinde gesagt, unter aller Kanone! Kennen Sie eigentlich den Ursprung dieser Redewendung, die mit dem Militär nicht das Geringste zu tun hat? Es ist hingegen eine scherzhafte Übersetzung des lateinischen "sub omni canone" – unter aller Wertung. So nannte man in den Lateinschulen des 19. Jahrhunderts die Notenskala "Canon". Nicht, daß es wichtig wäre, aber nun wissen Sie es halt.

Auch ein Schneiden und Kürzen des Filmmaterials von Metropolis brachte nicht den gewünschten Erfolg, und selbst die "Macher" schenkten dem Werk kaum noch Beachtung. So ging irgendwann sogar das Original verloren. Erst vor zwei Jahren tauchte in Buenos Aires die Kopie einer Fassung wieder auf, die zur Grundlage einer Rekonstruktion diente, bei der erstmals auch die Partitur der Filmmusik eine große Rolle spielte. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei dieser Fassung quasi um den "Director‘s Cut"

Einer, der Metropolis zum ersten Mal als Super-8 Aufnahme sah, ist Frank Strobel. 1966 wurde er in München geboren. Sein Vater, ein Medienwissenschaftler und seine Mutter, eine Filmjournalistin, betrieben dort ein Kino. So wuchs der Junge im und mit dem Kino auf. Doch was Strobel irgendwann noch mehr zu lieben begann als die Filme, war die Filmmusik! Was aus dieser Liebe wurde, ist einer der weltweit renommiertesten Dirigenten und Experten von Filmmusik! Bereits mit 15 bearbeitete er die Musik von Metropolis, oder das. was davon derzeit übrig war (es existierte immerhin ein original Klavierauszug), für zwei Klaviere. Diese ließ er jeweils rechts und links neben der Leinwand aufstellen, damit das Bild eingebettet würde und eine Art Stereo-Effekt zu hören sei.

Daß Strobel nun an der Weltersteinspielung (Label Capriccio - Vertrieb Naxos Deutschland), die anhand der rekonstruierten Originalpartitur zustande kam, maßgeblich beteiligt war, ist nicht verwunderlich, doch wunderbar. Das Ergebnis kann sich hören lassen! Diese neue Fassung von "Metropolis" soll bis auf wenige Minuten mit der des Jahres 1927 uraufgeführten Version identisch sein.

Gönnen Sie ihren Ohren doch mal wieder etwas Kino!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt