Karl Sillaber und C4 Architekten - Neues Bauen in Vorarlberg und Tirol (1960–1979)

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe C4 Architekten – Max Fohn, Helmut Pfanner, Karl Sillaber und der Tiroler Friedrich Wengler – gelten als Pioniere des neuen Bauens. Ihr erstes Projekt, die Volksschule Nüziders (1960–1963), ist ein Schlüsselwerk des modernen Schulbaus in Vorarlberg, auf das weitere Schulbauten folgten. Weniger bekannt sind die Ein- und Mehrfamilienwohnhäuser, Büro- und Gewerbegebäude sowie Frei- und Hallenbäder, die in der gemeinsamen Schaffensperiode von 1960 bis 1979 in Vorarlberg und Tirol entstanden. Sie alle sind wichtige Zeugen moderner Architektur und werden in der ersten monografischen Ausstellung über das Werk der C4 Architekten und im begleitenden Katalog präsentiert. In Zusammenarbeit mit dem Architekturzentrum Wien.

Die Gründungsgeschichte von C4 zeigt, welche Möglichkeiten junge Architekt_innen in den Wiederaufbaujahren nach 1945 hatten. Karl Sillaber und sein Freund Max Fohn bauten ab 1957 – noch während des Studiums – ihre erste Schule in Bludenz-Obdorf und nahmen 1959 am Wettbewerb für den Neubau der Volksschule Nüziders teil. Die Jury kürte keinen Sieger, sondern ermunterte die beiden Zweitplatzierten – Fohn/Sillaber sowie Friedrich Wengler und Helmut Pfanner – einen gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten. Die Gründungsstunde des Club 4, einer überregionalen Architektengemeinschaft mit Sitz in Bregenz. Es war eine Zeit, in der Kommunen jungen Architekt_innen auf Augenhöhe begegneten; neue Raumkonzepte waren willkommen, das Experiment erwünscht.

Die Volksschule Nüziders (1960–1963) ist das Schlüsselwerk der C4 Architekten. "Wir haben damals die Schule für das Kind gebaut und auf eine falsche Repräsentation verzichtet", erinnert sich der 89-jährige Karl Sillaber, das letzte lebende Mitglied der Gruppe. Die Klassenräume sind im Grundriss quadratisch. Oberlichten schaffen eine zweiseitige Belichtung und Querdurchlüftung. Die Räume gruppieren sich um einen großzügigen Innenhof, die Grenze zwischen Architektur und Landschaft verschwimmt durch die Verwendung von Glas in diesem eingeschossigen Bau aus Sichtbeton und Sichtziegelmauerwerk. Überdachte Gehwege schützen vor Witterung und schaffen die räumliche Klammer zwischen den einzelnen Gebäudeteilen. Ein revolutionärer Bau, der 1967 mit dem erstmals vergebenen Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten ausgezeichnet wurde.

Durch den wirtschaftlichen Aufschwung Vorarlbergs und den damit einhergehenden Zuzug von Arbeitskräften war der Bedarf an neuen Schulen enorm: 17 (!) weitere Schulbauten sollten folgen, unter anderem die HAK/HASCH Bregenz (1960–1965), die VS Lustenau-Hasenfeld (1961–1964), die Hauptschulen in Nenzing (1965–1968) und Lauterach (1966–1972), das BG Feldkirch (1968–1973) und die HTL Rankweil (1974–1976).

Das Werk von C4 beeindruckt: der Umfang, die Qualität, die vielseitigen Bauaufgaben, die zugleich die Themenbereiche der Ausstellung vorgeben. In Wohnen werden die Ein- und Mehrfamilienhäuser in Tirol und Vorarlberg vorgestellt, die in der gemeinsamen Schaffensphase von 1960 bis 1979 entstanden sind. Das monumentale Rathaus Bludenz (1972–1974) ist der prominente Vertreter im Bereich Verwalten, die Mercedes-Filiale in Dornbirn (1962) steht für Arbeiten und die Erweiterung des Krankenhaus Bregenz (1970–1975) ist dem Thema Pflegen zugeordnet. Weitere Höhepunkte im Schaffen von C4 bilden die vorwiegend in Tirol errichteten Freizeit-, Sport- und Hotelanlagen. Hier beeindruckt neben dem Hallen- und Freibad Stubai (1968–1970) das Freizeitzentrum Sautens (1974–1976) durch seine avantgardistisch-klare Formensprache.

Originale Wettbewerbs- bzw. Einreichpläne ermöglichen in Kombination mit Modellen und Architekturfotografien, die hauptsächlich aus dem Nachlass Friedrich Wenglers, der Sammlung des Architekturzentrums Wien und dem Privatarchiv Karl Sillabers stammen, einen umfassenden Einblick in die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Gebäude.

Helmut Pfanner verstarb bereits 1972 und im Jahr 1979 trennte sich Friedrich Wengler vom Büro in Bregenz, um in Tirol seinen eigenen beruflichen Weg fortzusetzen. In Bregenz führten Karl Sillaber und Max Fohn das Büro als C4 Fohn/Sillaber erfolgreich weiter. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit lag auf der Renovierung sowie Erweiterung von Kirchenbauten wie den Pfarrkirchen St. Wendelin (1988–1989) und Herz-Jesu (1992–1994) in Bregenz, der Pfarrkirche St. Laurentius in Sulzberg (1989–1992) oder der Um- und Neubau des Kapuzinerklosters Feldkirch (2005–2007).

Auch heute ist viel von "Wiederaufbau" die Rede. Umfangreiche Investitionsprogramme sollen die Wirtschaft nach der COVID-Pandemie wieder ankurbeln. Die Beschäftigung mit dem Werk von C4 kann dabei viele Anregungen bieten, schreibt Angelika Fitz, die Direktorin des Architekturzentrums Wien, in ihrem Vorwort zu der die Ausstellung begleitenden Monografie. Es öffnet den Blick für überraschende Raumerlebnisse. Es lässt Material in seiner Ursprünglichkeit spürbar werden. Es zeigt wie Gebäude selbstbewusst und doch sensibel mit der Landschaft interagieren. Es ermuntert Architekt_innen zur vorurteilslosen Zusammenarbeit. Es ermutigt Auftraggeber_innen, Vertrauen in die Arbeit von Architekt_innen zu haben. Und auch in ökologischer Hinsicht gibt es bei C4 noch viel wiederzuentdecken, wie ihre großartig verdichteten Wohnformen zeigen, die bei äußerst sparsamem Bodenverbrauch die Qualitäten eines Einfamilienhauses aufnehmen.

Karl Sillaber und C4 Architekten
Neues Bauen in Vorarlberg und Tirol (1960–1979)
3. Juli 2021 bis 9. Jänner 2022