Karikaturmuseum Krems feiert sein 20-jähriges Bestehen

Seit 20 Jahren sammelt auch das Land Niederösterreich Karikatur und Bildsatire. Die Ausstellung "Schätze aus 20 Jahren" bringt eine Auswahl von 230 Arbeiten von 20 Künstlern aus den Landessammlungen Niederösterreich.

Gezeigt werden Bildgeschichten von den 1920er Jahren, von Fritz Gareis jun. und Ladislaus Kmoch, bis hin zum Lochgott von Rudi Klein. Die Schau spannt den Bogen weiter zur Gegenwart der politischen Karikatur. Zu sehen sind wahre Schätze von Meistern des Genres, darunter Erich Eibls "Schilling-Hai", Erich Sokols Kommentar zur Besetzung der Hainburger Au oder Bruno Haberzettls erster "Frauenminister" Österreichs. Provokant präsentieren sich auch die Arbeiten von Michael Pammesberger und Thomas Wizany. Keine Tabus kennen Manfred Deix' gezeigte Werke.

Karikaturen in den Landessammlungen Niederösterreich

Mit der Errichtung und Eröffnung des Karikaturmuseum Krems fiel die Entscheidung zum gezielten Aufbau einer Karikatursammlung des Landes Niederösterreich. Nach nur 20 Jahren ist diese mit zirka 7.000 Originalen die größte ihrer Art in Österreich. Der Sammlungsschwerpunkt liegt auf der österreichischen Karikatur und satirischen Zeichnung der Gegenwart.

Die Landessammlungen Niederösterreich verfügen über die größte Kollektion von Deix-Cartoons. Im Besitz sind außerdem bemerkenswerte Konvolute von Erich Sokol, Gustav Peichl/Ironimus, Gerhard Haderer und Bruno Haberzettl. Schenkungen der künstlerischen Nachlässe von Hellmuth Macheck und Wilfried Zeller-Zellenberg ergänzen die Sammlung. Mit dem Erwerb der rund 130 Werke umfassenden Kollektion des österreichischen Sammlers Ludwig Fotter gelang es bereits 2006 namhafte internationale Positionen hinzuzufügen. Darüber hinaus gilt ein weiteres Augenmerk der historischen Karikatur. Besondere Bedeutung kommt der Entwicklung der Bildsatire in Österreich von der ersten Hälfte es 19. Jahrhunderts bis zur Zwischenkriegszeit zu.

Die Anfänge des modernen Comics

Als Meilensteine der Comicgeschichte im deutschsprachigen Raum gelten die Bildgeschichten von Fritz Gareis jun. und Ladislaus Kmoch.

Für "Der Götz von Berlichingen" entwickelte Fritz Gareis jun. die Serie Bilderbogen des kleinen Lebens. Gesamt erschienen zwischen 1923 und 1925 an die 100 Bildgeschichten für diese linksliberale Wochenzeitung. Die Comicserie, die die alltäglichen Herausforderungen der Familie Riebeisel thematisiert, hatte als Sittenbild ihrer Zeit Kultstatus. Zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum kamen darin Sprechblasen zum Einsatz.

Ladislaus Kmoch erschuf mit dem kleinbürgerlichen Tobias Seicherl in der Boulevardzeitung "Das kleine Blatt" vermutlich den ersten politischen Comicstrip in der deutschsprachigen Comicgeschichte. Während der Name Seicherl im Wienerischen auf eine ängstliche und feige Person deutet, tritt der sprechende Hund Struppi als vernünftiger und zynischer Gegenpart zu seinem Herrchen auf. Sozialdemokratisch geprägt, überlebte dieser Daily Strip zwar die politischen Umbrüche von 1933, wurde danach aber zur ausschließlich unterhaltenden, weitestgehend unpolitischen Serie. Besonders ist auch der Gebrauch von Mundart und Dialekt in der Sprache der Figuren.

Historische Karikaturen aus Privatbesitz ergänzen die Originale aus den Landessammlungen Niederösterreich. Als Pressezeichner war Erich Gold für seine Schauspieler_innen-Karikaturen, Bühnenreportagen und Witzszenen bekannt. Er war Mitbegründer des ersten Verbands der Pressezeichner in Berlin. Unter dem Pseudonym Eric Peters arbeitete der Künstler jüdischer Herkunft im New Yorker Asyl als politischer Karikaturist und fertigte humoristische Cartoons an. Mit dem Künstlernamen Cajetan zeichnete der Arzt Anton Elfinger für die Wiener Theaterzeitung "satyrische Bilder". Bekanntheit erlangten seine Zeichnungen von Schauspielenden in ihren Rollen, die sogenannten Kostümbilder. Mit sozialkritischen und politischen Zeichnungen unterstützte er aktiv die Revolution von 1848. In seiner Zeit als Universitätszeichner für medizinische Fachliteratur zeichnete er für naturgetreue Abbildungen im "Atlas der Hautkrankheiten" (1856) verantwortlich.

Fokus politische Karikatur

Neben der historischen Bildgeschichte ist ein weiterer Schwerpunkt der politischen Karikatur des 20. und 21. Jahrhunderts gewidmet. Historisch geht die Entwicklung der politischen Karikatur mit der Etablierung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie den Möglichkeiten der Vervielfältigung einher. Noch heute ist sie als hochwirksames Medium der öffentlichen Meinungsbildung für viele von uns ein unverzichtbarer Bestandteil der politischen Berichterstattung. Sie reicht von der reduzierten Zeichnung bis zu aufwendig ausgeführten farbigen Cartoons.

Dank herausragender Künstlerpersönlichkeiten wie Gustav Peichl/Ironimus erfuhr die politische Karikatur in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg eine kraftvolle Erneuerung. Erich Sokols gezeichnete Kommentare zur österreichischen Politik und dem internationalen Geschehen definierten nicht nur einen neuen Standard. Auch der Mut zur Provokation und die Schärfe seiner Aussagen prägten ganze Generationen von Bildsatiriker_innen. Aufsehen erregten seine mit "E" unterzeichneten Schwarz-Weiß-Karikaturen, die sowohl in den Jahrbänden der Arbeiter-Zeitung (AZ) als auch von internationalen Blättern publiziert wurden.

Bewusst provokant

Karikaturist_innen treten als aufmerksame Beobachter_innen des politischen Alltags und durchaus provokant mit der Gesellschaft in einen Dialog. Sie gelten als kritische Autor_innen ihrer Zeit, analysieren und dokumentieren Ereignisse sowie Entwicklungen. Nicht selten werden politische Entscheidungsträger*innen mit spitzer Feder auf die Schaufel genommen. Humor gibt ihnen dabei den größten Spielraum, den eine journalistische Ausdrucksart nur gewähren kann.

Farbenfroh, gesellschaftskritisch und immer am Punkt sind Bruno Haberzettls politische Karikaturen. Mit der zugespitzten Darstellung des ersten Frauenministers Herbert Haupt verarbeitet der Künstler 2001 in dramatischer Weise die Thematik der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Meisterhaft kehrt Haberzettl mit dem vermeintlichen Übergriff auf den Mann die Situation um und kommentiert die problematische Ernennung Haupts zum Frauenminister.

Die satirische Provokation verdeutlichen in der Ausstellung ergänzend Arbeiten aus Privatbesitz von Thomas Wizany, Michael Pammesberger und Petar Pismestrović. Den Wahlsieg Joe Bidens im Jahr 2020 nimmt Wizany für sein politisches Rodeo zum Anlass. Die Kehrtwende an der Machtspitze Amerikas kommt nach Donald Trumps Amtszeit – nicht nur medial – gut an. Schnaufend und festgezurrt am Boden liegend ist sich der Cowboy aber durchaus um die geballte Gefahr seines Gegners bewusst.

Mit der überspitzten Darstellung selbst der scheinbar Mächtigsten dieser Welt beweist die karikaturistische Zeichnung ihre Stärke. Sie schreckt nicht vor Tabus zurück, vielmehr kennt sie keine Grenzen. Wie bei Manfred Deix, der selbst gesellschaftlich heikle und tabuisierte Themen bis hin zum Nationalsozialismus in seinem Schaffen aufgriff. Das humoristische Moment war dabei sein treuester Begleiter, denn die karikaturistische Zeichnung kennt nur eine Sprache: die kluge Pointe.

Schätze aus 20 Jahren
Karikaturen aus den Landessammlungen Niederösterreich
Kurator: Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Direktor Karikaturmuseum Krems
21. Februar 2021 bis 30. Jänner 2022