Kampf der Hohlfiguren

25. April 2011 Kurt Bracharz
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Um die Weibchen zu beeindrucken, springen Feldhasen-Männchen auf den Hinterbeinen in die Höhe und trommeln mit den Vorderpfoten aufeinander ein – dieses gegenseitige Abwatschen kann bei gleich starken Konkurrenten lange dauern. Allerdings nicht so lange wie das Duell Goldhase gegen Prachthase, das freilich weniger brachial ausgetragen wird, bei dem es aber auch um mehr geht als um die sprichwörtlich schnelle Nummer mit der abwartenden Häsin.

Die Schweizer Schokoladenfirma Lindt & Sprüngli ließ sich im Juni 2000 das Design ihres "Goldhasen" (die vom Gesichtspunkt der Maschinentauglichkeit mitbestimmte Form des Milchschokolade-Sitzhasen, goldene Einwickelfolie, rote Schleife mit Glöckchen) als Gemeinschaftsmarke EU-weit schützen. 2004 brachte Lindt eine Klage gegen die burgenländische Firma Hauswirth GmbH, Wien und Kittsee, ein, weil deren "Prachthase Artikel Nr. 312" den Lindtschen Hasen "schmarotzerisch" nachahme.

Hauswirth erklärte, den Hasen in genau diesem Design seit 1951 herzustellen, und antwortete mit Gegenklage wegen Sittenwidrigkeit und "unzulässiger Monopolisierung des allgemeinen Formenschatzes". Das Gericht schlug einen "koloristischen Mindestabstand" des Stanniols und ein grünes Band statt des roten vor. Ein rot-weiß-rotes Band von Hauswirth löste bei Lindt & Sprüngli die Forderung nach einer 20.000-Euro-Buße aus, die das Gericht aber ablehnte und entschied, der Hase mit der patriotischen Masche dürfe verkauft werden, aber diese Entscheidung kam zu spät für die Osterproduktion 2006, und dann wurde ja sowieso weiter prozessiert.

Die Sache ging zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, wobei zum ersten Mal der Vorwurf der "Bösgläubigkeit" bei der Beantragung des Markenschutzes erhoben wurde und Hauswirth deshalb die Löschung beantragte. Der EuGH entschied, dass der Oberste Gerichtshof in Wien zu entscheiden habe, weil es bei der Frage, ob es sich um einen Verdrängungswettbewerb handele, auf den jeweiligen Bekanntheitsgrad der Produkte ankomme. Lindt & Sprüngli stellt den "Goldhasen" seit 1952 her und vertreibt ihn seit 1994 über eine Tochtergesellschaft auch in Österreich. Produziert wird der ominöse Hase übrigens nicht in der Schweiz, sondern im Lindt & Sprüngli-Kompetenzzentrum für Hohlfiguren im deutschen Aachen.

Die aktuellsten Nachrichten aus dem Gerichtssaal lauten, dass das Handelsgericht Wien der Klage von Lindt & Sprüngli stattgegeben und der Firma Hauswirth die Produktion und Vertrieb ihres Hasen untersagt habe, weil "Verwechslungsgefahr" mit der EU-geschützten Marke „Goldhase“ bestehe. Lindt & Sprüngli hat Hauswirth nun aber einen Vergleich angeboten, der von Hauswirth zur Zeit geprüft wird.

Wer sich wundert, dass mit solcher Hartnäckigkeit prozessiert wurde und möglicherweise noch weiter wird, unterschätzt vielleicht das Geschäft mit den Schokolade-Osterhasen. Zwar haben alle Schokoladenproduzenten Probleme mit den Rohstoffkosten, seit sich der Kakaopreis an der Terminbörse London seit Anfang 2008 auf 2156 Euro je Tonne beinahe verdoppelt hat, aber die Nachfrage ist immer da. Hauswirth erzielt 80 Prozent des Umsatzes rund um Ostern, Nikolausfest und Weihnachten, wobei das Ostergeschäft mehr bringt als die beiden anderen zusammen.

Und wieviel "Goldhasen" wurden von Lindt & Sprüngli in Aachen für Ostern 2011 produziert? Schätzen Sie doch einmal! 107 Millionen ist die richtige Antwort. Bei Hasen und Kaninchen sind sogar die Abbilder aus Schokolade als Fruchtbarkeitssymbol geeignet.