Als Richard Denemy wurde er am 16. Mai 1891 im österreichischen Linz geboren, als "König des Belcanto" eroberte Richard Tauber, wie er ab 1913 hieß, die hungrigen Herzen vieler Musikliebhaber. Mit dem Lied "Dein ist mein ganzes Herz" aus der Operette Das Land des Lächelns (Franz Lehár) wurde Tauber quasi über Nacht zum Weltstar. Auf die Frage, ob er es nicht müde werde, immer und immer wieder dieses Lied zu singen, antwortete er: "Sie sehen doch auch jeden Tag in den Spiegel."
Was jene Männer des SA-Trupps wohl im Spiegel sahen, die Richard Tauber 1933 in Berlin angriffen? Mit Worten wie "Judenlümmel, raus aus Deutschland!", mit Schlägen und Tritten machten sie ihm klar, daß er in Deutschland nicht mehr bleiben konnte. Eigentlich wollte er sofort emigrieren, entschied sich jedoch dafür, erst die Arbeit an seiner Operette "Der singende Traum" zu beenden. Aus diesem Werk stammt das Lied "Du bist die Welt für mich".
Damals verzauberte Richard Tauber, zwar nicht die ganze, doch einen beachtlichen Teil der Welt, der Musikwelt. Nein, E-Musik heißt schließlich Ernste-Musik und dient gefälligst nicht der Unterhaltung, also einer speziellen Art der Unterhaltung, mokierten viele. Die einen mokierten, die anderen komponierten, nämlich speziell für die Stimme Richard Taubers. So etwa Franz Lehár und Robert Stolz. Es waren jene Tauber-Hits, die allerseits und -orts gepfiffen, gesungen und gespielt wurden. Und das ist auch heute noch so. Es verhält sich in etwa wie mit dieser deutschen Boulevardzeitung oder der sonntäglichen Vorabendserie im Ersten, die jeder kennt, doch niemand schaut.
Operette? Nein, sowas höre ich nicht, ich höre ausschließlich Klassik! Und doch kenne ich nicht einen Klassikliebhaber, der nicht jene Melodien samt Texten kennt, sie summt oder mitsingt, heimlich unterm Tisch im Takte zuckt bei "Dein ist mein ganzes Herz", "Lippen schweigen“ (von wegen!), "Freunde, das Leben ist lebenswert", "Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau’n" oder "Niemand liebt dich so wie ich".
Einer, der die Musik Richard Taubers liebt wie kaum ein anderer, ist der polnische Tenor Piotr Beczala. Als Student hörte er zufällig ein Lied von Tauber im Radio und war verwundert, daß Caruso in deutscher Sprache sänge. Für sein Debüt-Album "Mein ganzes Herz" bei der Deutschen Grammophon wählte er, weil diese Musik ihm so sehr am Herzen liegt, Richard Taubers großen Erfolge. Für die Aufnahmen verwendete Beczala unter anderem auch Mikrofone aus der Zeit Taubers. Der junge Tenor erfüllte sich gar den Traum mit Richard Tauber gemeinsam "Du bist die Welt für mich" zu singen (der Technik sei Dank).
Es ist interessant und unterhaltsam die beiden im direkten Vergleich zu hören. Und es gefällt mir sehr, daß Beczala keineswegs den Fehler begeht Tauber kopieren zu wollen! Ein besonderes Schmankerl für alle Anna-Netrebkro-Fans ist sicher "Lippen schweigen" (eben nicht!), welches sie gemeinsam mit Beczala singt. Klar, daß er wenigstens einen Titel mit Netrebko singt!, werden viele nun denken, und zwar jene, die zu Beginn grübelten: "Piotr Beczala, Beczala – Moment mal – ist das nicht? - das ist doch derjenige, welcher mit der Netrebko auf der Bühne stand!" Ja, das ist genau dieser wundervolle Tenor, der nicht nur Operetten-Lieder, sondern auch, und sogar überwiegend, "richtige" Klassik singt! Na ja, Hauptsache ist ja, daß er nun bekannt ist, egal, wer ihm dazu verhalf.
Wenn Sie dieses Album gehört haben, werden Sie wahrscheinlich, ebenso wie ich, wissen: Dieser Mann kommt auch bestens alleine zurecht. Er versteht es zu begeistern, zu unterhalten, anzustecken. Diese leichte Muse sei sehr schwierig zu singen, sagte Piotr Beczala in einem Interview und präsentiert Richard Taubers großen Erfolge mit einer wunderbaren Leichtigkeit!
Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt
