Im Tempel des Ich

Im Herbst 2013 präsentiert das Museum Villa Stuck als Jubiläumsprojekt die Ausstellung "Im Tempel des Ich. Das Künstlerhaus als Gesamtkunstwerk". Die Villa Stuck als Künstlerhaus ist – Beispiel gebend – nicht nur höchster Ausdruck des Lebensgesamtkunstwerks des Künstlerfürsten Franz von Stuck, sondern auch sein schönstes Kunstwerk. In ihr vollendet sich sein Streben nach einer Vereinigung aller Künste. Für Stuck war seine antik anmutende Villa Kosmos und persönliches Pantheon, Inkarnation seiner Selbst und farbig lodernde Inspirationsquelle seines Schaffens. Damit steht sie für alles, was ein Künstlerhaus zu leisten vermag, weit über Repräsentation und Selbstdarstellung hinaus.

Künstlerhäuser spiegeln als Schatzhäuser der Kreativität die geistigen Welten ihrer Schöpfer wider. Erstmals wird im Rahmen der Ausstellung der Typus Künstlerhaus, vom Künstler selbst entworfen oder maßgeblich gestaltet, in einen internationalen Kontext gestellt. Rund 20 Beispiele lassen die Faszination, die derart sichtbar Gestalt gewordene Künstlerphantasien bis heute auf den Menschen ausüben, lebendig werden. Bei aller Individualität repräsentieren die ausgewählten Beispiele Ideen, Stile und Epochen in Europa und Amerika aus der Zeit von 1800 bis 1948. Im internationalen Austausch, aber auch in der Konkurrenz der Künstler untereinander, spielen ihre Häuser eine wichtige Rolle und zählen zu den bedeutendsten Werken ihrer Erbauer.

Als Spiegel der Aura des Künstlers ist das Künstlerhaus seit der Renaissance sichtbares Zeichen des Berufsstandes sowie Ausdruck gesellschaftlichen Anspruchs und Erfolgs. Im 19. Jahrhundert erfährt die Legende des Künstlers als Verkörperung des von der Renaissance postulierten Universalkünstlers eine Wiedergeburt; der Geniekult huldigt dem schöpferischen Genius. Das Künstlerhaus ist Ausdruck der Persönlichkeit des Künstlers, gleichsam seine zweite Haut. Als architektonisches Selbstporträt, unbewusst entstandenes Abbild seiner Selbst und Wesensausdruck des menschlichen Charakters, steht es stellvertretend für den Künstler, ist ihm anverwandtes Abbild und Konstrukt seines Ich. Dabei erfüllt es zahlreiche Funktionen und Bedürfnisse: Haus, Atelier und Schöpfungsort, künstlerisches Experiment, Inspiration und Kulisse, Kunstwerk. Es dient als Galerie und "Showroom", mutiert zum Tempel, Heiligtum, Museum, vorzeitigen Kenotaph und Mausoleum. Nicht selten ist es umfangen vom Zauber des Geheimnisvollen, Ungewöhnlichen und Fremdartigen, dem ein magisches Charisma innewohnt.

Die Ausstellung zeigt sowohl berühmte existierende Künstlerhäuser als auch verloren gegangene, zerstörte und vergessene Projekte, die in ihrer Zeit von einzigartiger Bedeutung waren und bis heute faszinierende Strahlkraft besitzen. Ausgewählte Werke der Künstler, die in engem Zusammenhang mit den Häusern stehen, sowie Fotografien, Pläne und Modelle geben ein lebendiges Bild vom Einklang zwischen Kunst und Leben und einer Harmonie der Künste, die sich im historischen Begriff des Gesamtkunstwerks nach Richard Wagner widerspiegelt. Die Auswahl umfasst u. a. das John Soane’s Museum in London, das Red House von William Morris in Bexleyheath, das Tiffany House von Louis Comfort Tiffany in New York City, Mortimer Menpes’ Wohnung in London, die Villa von Fernand Khnopff in Brüssel, das Maison Gustave Moreau in Paris, den MERZbau von Kurt Schwitters in Hannover, das Haus von Konstantin Melnikov in Moskau, das Maison Theo van Doesburg in Meudon-Val-Fleury bei Paris sowie das Haus von Max Ernst in Sedona, Arizona.

Im Tempel des Ich
Das Künstlerhaus als Gesamtkunstwerk
Europa und Amerika 1800-1948
21. November 2013 bis 2. März 2014

Erweiterte Öffnungszeiten:
Di bis So 10 – 18 Uhr, Freitag 10 – 21 Uhr