IFFI 2014: Die endlose Weite der kasachischen Steppe

In ferne Welten entführen die Wettbewerbsfilme beim 23. Internationalen Film Festival Innsbruck: Während Yerlan Nurmurkhambetov und Shinju Sano in "The First Rains of Spring" wunderbar lakonisch von einer kasachischen Bauernfamilie erzählen, blickt Sabiha Sumar in "Good Morning Karachi" auf das zwischen islamischem Fundamentalismus und Moderne gespaltene Pakistan.

Zum Schwenk über die pakistanische Großstadt Karachi, über der die Sonne aufgeht, begrüßt ein Radiosprecher seine Zuhörer mit den Worten "Good Morning Karachi". Mehr als um den konkreten Inhalt geht es Sabiha Sumar, die 2003 mit "Silent Waters" in Locarno den Goldenen Leoparden gewann, bei diesem Bild um den symbolischen Gehalt eines Aufbruchs der pakistanischen Gesellschaft. Denn im Kontrast dazu stehen Islamisten, die mit den Worten "Tod für die amerikanischen Huren" gegen Plakatwände mit unverschleierten Models demonstrieren.

Direkt auf eine solche Wand blickt die junge Rafina von ihrer Wohnung in einem ärmlichen Viertel der 13-Millionen Stadt. Wenn es nach ihrer Mutter geht, soll sie bald ihren Freund heiraten, doch Rafina selbst möchte nicht auf den Haushalt zurückgedrängt werden, sondern einen Beruf erlernen und kommt über die Mutter ihres Freundes in die Modelbranche.

Das Thema ist hochinteressant und aktuell, doch allzu plakativ und schematisch stellt Sumar den Gegensatz zwischen Fundamentalisten und liberalem Denken, zwischen armem Wohnviertel und Hochglanzwelt gegenüber. Aber nicht nur durch diese simplifizierende Gegenüberstellung sondern auch der pädagogische Gestus rauben "Good Morning Karachi" viel von seiner möglichen Kraft: Statt zwingend eine Geschichte zu erzählen, trägt Sumar das Anliegen vor sich her – ein Umstand, der wohl der Tatsache geschuldet ist, dass dieser Film von Entwicklungshilfeorganisationen mitfinanziert wurde.

Ein beglückendes Gegenstück zu Sumars Film ist "The First Rains of Spring", den der Kasache Yerlan Nurmurkhambetov zusammen mit dem Japaner Shinju Sano drehte. Nichts wird in dieser Geschichte von einer kasachischen Bauernfamilie betont, nichts forciert. Nie wird der Zuschauer gelenkt, sondern es wird ihm Zeit und Raum gelassen den Bildern zu folgen.

Eine alte Schamanin bittet als letzten Willen, in einer drei Tagesreisen entfernten Region bestattet zu werden, und erklärt auch, dass sie bald als Braut des Bauernsohnes zurückkehren werde. Nach ihrem Tod bricht das Bauernehepaar deshalb mit seinem Kleinlastwagen mit der Leiche auf. Um den Hof kümmern sich währenddessen der etwa 16-jährige Sohn und dessen beiden jüngeren Geschwister. Gleichzeitig ist ein Russe mit seiner Tochter im Teenageralter mit einer Beiwagenmaschine in dieser endlosen Steppenlandschaft vor dem Hintergrund des schneebedeckten Tien Shan-Gebirges unterwegs.

Parallel erzählen Nurmurkhambetov und Shinju von diesen drei Personengruppen, lassen den Russen und seine Tochter einen Zwischenstopp auf dem Hof einlegen und die Eltern schließlich zurückkehren. Eingebettet in die großartig gefilmte kasachische Steppe entwickelt sich dieser musiklose Film gerade in seiner Einfachheit, im Verzicht auf Erklärungen und der Beschränkung auf die unaufgeregte Schilderung eines Lebens im Einklang mit der Umwelt zu einer von leisem Humor durchzogenen Meditation über das Leben, wirft wunderbar unaufdringlich und beiläufig die Frage auf, was wesentlich ist und worin Lebensglück besteht. – Zweifellos ein erster Anwärter auf den Filmpreis des Landes Tirol.