IFFI 2010: Weniger wäre mehr

Ein Schweizer Paar bleibt in der Sahara hängen, ein junger Albaner verfällt der Blutrache und ein Panorama des heutigen Chinas. – So unterschiedlich die Themen und Formen sein mögen, so ist den beim 19. Internationalen Film Festival Innsbruck gezeigten Filmen "Taxiphone" von Mohammed Soudani, "Once Upon a Time Proletarian" von Guo Xiaolu und "Alive!" von Artan Minarolli doch gemeinsam, dass sie an einer inhaltlichen Überfrachtung leiden oder sogar scheitern.

So richtig überzeugen vermögen die beim 19. Internationalen Film Festival Innsbruck gezeigten Filme bislang nicht. Wenn ein Schweizer Paar nach einer Defekt seines LKW in einer Stadt in der algerischen Sahara einen Zwischenstopp einlegen muss, bietet das zwar durchaus Potential für einen interessanten Film, doch Mohammed Soudani will sich in "Taxiphone" nicht auf die Beziehungsgeschichte beschränken, sondern packt zahlreiche andere Figuren von einem schwedischen Geschäftsmann bis Bruno Ganz, der in einem Kurzauftritt als er selbst vorbeischaut, hinein, entwickelt aber nichts.

Weder die Beziehung des Paares, das sich mal streitet, dann wieder versöhnt, noch das Interesse der Schweizerin an einem Afrikaner, noch ihre Aufnahme in die Gemeinschaft der algerischen Frauen wird so glaubhaft – alles wird nur behauptet, aber nichts spürbar. "Taxiphone" versinkt förmlich im Sand und zu überzeugen vermögen nur einzelne prächtige Wüstenbilder.

Spannend ist auch die Ausgangssituation von Guo Xiaolus "Once Upon a Time Proletarian". In zwölf Kapiteln, voneinander getrennt durch Schwarzweißszenen, in denen chinesische Volksschüler kurze Geschichten aus einem Lesebuch vorlesen, will Xiaolu in ihrem Dokumentarfilm ein Panorama des heutigen China bieten. Spürbar wird dabei durch die Kontrastierung der Bilder mit optimistischen Revolutionsliedern zwar die Desillusionierung, doch die Szenen von der Landarbeit, von der Arbeit in einer Autowerkstatt, von Träumen jugendlicher Friseurlehringe, Regeln für die Fabriksarbeit oder Verhaltensregeln im Park werden nicht verdichtet und fließen nicht zu einem großen Ganzen zusammen, sondern bleiben recht beliebig dahin plätschernde konturlose Einzelteile.

In eine unbekannte Welt entführt Artan Minarolli, wenn er in "Alive!" den in Tirana studierenden Koli in sein Heimatdorf zurückkehren lässt. Dort erfährt er, dass zwischen seiner und einer benachbarten Familie eine Blutfehde besteht und er untertauchen muss. Dynamisch, aber auch klischeehaft ist der Anfang mit pulsierender Discoszene in der Großstadt, zu der das Landleben in scharfem Kontrast steht. Durchleuchtung der ländlichen Traditionen erfolgt aber nicht, denn im Schielen aufs Publikum setzt Minarolli auf schnelle Handlungsfolge statt genaue Beobachtung.

Da bleibt es dann auch nicht beim Thema Blutrache, sondern bald geht es auch um das Brautwerben eines jungen Bekannten Kolis, um die sich entwickelnde Beziehung des Gejagten zu einer Prostituierten und am Ende steht ein Fluchtversuch nach Italien. Nur das Milieu, das allerdings nicht atmosphärisch dicht und differenziert beschrieben wird, ist hier neu, alle möglichen Ecken und Kanten gehen im Streben nach stromlinienförmigem und leicht konsumierbarem Storytelling verknüpft mit touristischen Landschaftsansichten aber verloren: Auf jeden Fall locker und leicht bleiben und ja nicht verstören scheint das Motto Minarollis zu sein. Leidlich zu unterhalten vermag er im Gegensatz zu Soudani mit "Alive!" freilich immer noch, aber nicht zu übersehen ist, dass bei diesem Stoff einiges mehr drinnen gewesen wäre.