IFFI 2008: Tiroler Filmemacher, Länder des Südens und Italo-Western

Über 60 Filme aus mehr als 30 Ländern werden beim 17. Internationalen Film Festival Innsbruck gezeigt (3. – 8.6.2008). Der Schwerpunkt liegt wie gewohnt bei Produktionen aus Afrika, Lateinamerika und Asien, aber auch ein Tiroler Filmemacher ist im Wettbewerb um den mit 5000 Euro dotierten "Filmpreis des Landes Tirol" vertreten. – Und die Retrospektive widmet sich dem Italo-Western.

Eröffnet wird das Festival mit "South of Pico" des Innsbruckers Ernst Gossner. Das ursprüngliche Konzept für diesen Film entstand zwar in Tirol und sollte auch in der Heimat des Filmemachers verwirklicht werden, doch 1999 übersiedelte Gossner nach Kalifornien und absolvierte ein Regiestudium am American Film Institute in Los Angeles. Erst dort war dieses Episodendrama dann zu realisieren, das durch und durch amerikanisch ist und – obwohl zuvor geschrieben - stark an Paul Haggis´ "L.A. Crash" erinnert. Wie Haggis rollt auch Gossner von einem Autounfall ausgehend in paralleler Erzählung den Verlauf des vorangegangen Tages der fünf Beteiligten auf.

Auch wenn es dabei mehrfach um die Unterdrückung und Ausbeutung von Migranten geht, passt dieser Film im Grunde nicht wirklich in den Wettbewerb des Innsbrucker Festival, das sich doch als eine Plattform für Filme aus den Ländern des Südens versteht. Die Herkunft des Regisseurs war hier unübersehbar der ausschlaggebende Grund für die Programmierung von "South of Pico".

Konventionell und europäisch in der Filmsprache, beeinflusst von den Politthrillern eines Costa-Gavras ist zwar auch Esteban Schroeders "Matar a todos", zutiefst uruguyanisch ist aber die Geschichte, in der es um den Übergang des lateinamerikanischen Staates zur Demokratie und die Machenschaften der Geheimpolizei geht. In Kontrast zu diesem realistischen Film steht die poetisch verträumte Erzählweise des Kubaners Fernando Pérez ("Suite Habana", "La vida es silbar"). In "Madrigal" verschränkt Pérez nicht nur drei Zeitebenen, sondern reflektiert in dieser im Theatermilieu spielenden Liebesgeschichte auch über Sein und Schein, Wahrheit und Lüge, Theater und Leben. Dritter lateinamerikanischer Beitrag im Wettbewerb ist der brasilianische Film "Baixio das bestas – Sumpf der Bestien", in dem Claudio Assis von einem jungen Mädchen erzählt, das in einem abgelegenen brasilianischen Dorf von seinem Großvater gequält wird.

Afrika ist mit zwei Filmen im Wettbewerb vertreten. Während Newton I. Aduaka in "Ezra" inspiriert vom realen Konflikt in Sierra Leone die fiktive Geschichte der Folgen einer Attacke von Rebellen auf ein Dorf erzählt, geht es in "Un matin bonne heure – Früh am morgen" von Gahité Fofana um die Träume zweier guinesischer Jugendlicher von einer besseren Zukunft. Aus Südkorea kommt schließlich Im Sang-Soos "The Old Garden – Orae-Doen Jeongwon", in dem sich ein aus dem Gefängnis entlassener Kämpfer für die Demokratie an seine einstige Liebe und seinen politischen Kampf erinnert.

Wie gewohnt wird neben den Preisen im Hauptwettbewerb auch heuer wieder der "Prix de l´institut francais d´Innsbruck" vergeben, um den vier französischsprachige afrikanische Filme wetteifern. Im Dokumentarfilmwettbewerb laufen schließlich mit dem Eröffnungsfilm der Diagonale 2008 "Back to africa" und Peter Schreiners "Bellavista" auch zwei österreichische Filme. Schreiner begleitet in seinem Film eine Frau, die seit zwei Jahrzehnten den Dialekt des in den Karnischen Alpen gesprochenen Plodarischen erforscht, begleitet. Ganz privaten Einblick in die iranische Gesellschaft wiederum bietet "City Walls", in dem die einst in die Schweiz emigrierte Afsar Sonia Shafie in ihre Heimat zurückkehrt und das Leben ihrer Familie mit der Videokamera dokumentiert. Von der Emigration zweier Musiker und dem Abbruch und Neuanfang ihrer Künstlerkarrieren erzählt dagegen Yussuf Yesilöz in "Musikliebe", während der schon 1997 entstandene "Mädchen am Ball, nach dem Spiel" der letztjährigen Preisträgerin Aysun Bademsoy zum Fußball, einem weiteren Schwerpunkt des Festivals, überleitet.

Ein Filmfestival, das gerade zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft stattfindet, kann sich dem sportlichen Großereignis kaum verschließen und so bringt das IFFI auch vier Fußballfilme auf die Leinwand. Wer sich dafür nicht begeistern kann, findet in der Reihe "Western all´italiana" mit unter anderem Sergio Leones "Für eine Handvoll Dollar" und Sergio Corbuccis "Leichen pflastern seinen Weg" eine Alternative. Gefahr läuft das Festival freilich mit dieser Retrospektive ebenso wie mit der Programmierung von insgesamt vier österreichischen Filmen - neben den schon genannten wird auch der in Norwegen vom Tiroler Erich Hörtnagl gedrehte Krimi "Cry in the Woods" gezeigt - und der Presseankündigung damit das IFFI neben der Diagonale zu einem zweiten Festival des österreichischen Films zu machen sich zu verzetteln und an Schärfe hinsichtlich klarer Positionierung als wichtigstes Festival im deutschsprachigen Raum für Filme aus den Ländern des Südens einzubüßen. - Wer alle Geschmäcker und Interessen zu bedienen versucht, läuft schnell auch Gefahr sich zwischen alle Stühle zu setzen und kein Publikum wirklich zu befriedigen.