IFFI 2008: Francos falsche Versprechen und afrikanische Realitäten

Nach der Eröffnung mit dem amerikanischen Episodenfilm "South of Pico" des Tirolers Ernst Gossner gaben am zweiten Tag des 17. Internationalen Film Festivals Innsbruck (3. - 8.6. 2008) afrikanische Themen den Ton an.

90.000 Marokkaner, großteils zwangsrekrutiert, kämpften im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten Francos. Viel wurde ihnen versprochen, doch einerseits wurden sie nur als Kanonenfutter in vorderster Reihe eingesetzt, andererseits erhielten sie außer Orden nach ihrem Ausscheiden aus der Armee nicht einmal eine Rente. Driss Deiback entreißt in seinem Dokumentarfilm "Los Perdedores – Die Vergessenen" dieses verdrängte Kapitel der spanischen Geschichte dem Vergessen. Filmisch ist das mit Interviews mit Veteranen, Witwen von Gefallenen und Wissenschaftlern, die sich beispielsweise für die Restaurierung eines verfallenen muslimischen Friedhofs bei Granada einsetzen, konventionell gestaltet. Auf Off-Kommentar wird verzichtet, doch dafür bestimmen "Sprechende Köpfe" die Bildebene, ergänzt durch im Grunde hochinteressantes, aber zu wenig pointiert eingesetztes Archivmaterial. Auch mag "Los Perdedores" insgesamt redundant und somit trotz der nur 80 Minuten zu lang sein. Seine Spannung bezieht dieser Film sicher nicht aus der Form, sondern aus dem Inhalt, aus der Auseinandersetzung mit einem weithin unbekannten Thema und dem Anti-Islamismus des katholischen Spanien, den man zur Zeit des Bürgerkriegs kurz vergaß, weil man die Moslems für den Kampf gegen den Kommunismus und Atheismus als größere Feinde brauchen konnte.

Formal indiskutabel, aber inhaltlich spannend ist auch der im Tschad spielende "DP75 Tartina City". Die schauspielerischen Leistungen sind ebenso schwach wie die schwammigen, teils grell überbelichteten, teils verwackelten Videobilder und die Erzählweise ist so holprig wie die Figurenzeichnung plakativ. Dennoch vermittelt Serge Issa Coelo in dieser Geschichte von einem regimekritischen Journalisten, der am Flughafen verhaftet und von einem sadistischen Oberst gefoltert wird, phasenweise packend eine Ahnung vom Terror einer - nicht nur afrikanischen - Militärdiktatur.

Inhalt und Form zur Deckung bringt dagegen Gahité Fofana. In "Un matin bonne heure – Früh am Morgen" erzählt der Guinese die auf einem realen Vorfall beruhende Geschichte von zwei 14-jährigen Jungs, die 1999 mit einer tödlich endenden Aktion Europa auf das Elend im westafrikanischen Staat und auf dem afrikanischen Kontinent insgesamt aufmerksam machen wollten. Aus der Perspektive eines mit den Protagonisten befreundeten Mädchens, deren erklärender Off-Kommentar allerdings zu exzessiv eingesetzt wird, erzählt Fofana und fängt völlig unspektakulär und mit geradezu dokumentarischer Genauigkeit den Alltag der Jugendlichen und afrikanische Realität ein. Immer wieder lässt sich der Film dabei Zeit zu von Musik unterlegten Pausen und evoziert gerade durch diesen ruhigen Erzählrhythmus eindringlich eine Stimmung der Lethargie, des Stillstands und der Perspektivlosigkeit, die das Leben der beiden Jugendlichen kennzeichnet. Fehlende Schulen und Lehrer, die sich für die Kinder keine Zeit nehmen, das Schicksal von Kindersoldaten, und eine Militäraktion sind nur einige der Problemfelder, die angesprochen werden und die die beiden Protagonisten immer wieder an der Rollbahn den in das vermeintlich paradiesische Europa abhebenden Jets sehnsüchtig nachschauen lassen, bis sie einen Brief schreiben und ihren Plan in die Tat umsetzen. Plakativ appellativ mag der am Schluss verlesene Brief sein, der Wirkung des in seiner unaufgeregten Erzählweise, dem natürlichen Spiel der Laien und der sorgfältigen Bildsprache bewegenden und sehr runden Film tut dies keinen Abbruch, sondern verstärkt sie noch.