Hermann Nitsch - Aktionsfotografie 1963–1984

Die Ausstellung im Fotomuseum WestLicht in Wien rückt erstmals die Fotografie im Werk von Hermann Nitsch in den Mittelpunkt. Die Dokumentation seiner umstrittenen Aktionen wie auch die eigenständigen Werke aus der Blütezeit des Wiener Aktionismus bieten Einblicke in die Denk- und Arbeitsweise des im vergangenen Jahr verstorbenen Künstlers. Mit der Präsentation ausschließlich fotografischer Werke rückt das Wiener Fotomuseum WestLicht erstmals einen bisher kaum beachteten Aspekt im umfangreichen Schaffen des im Vorjahr verstorbenen österreichischen Künstlers Hermann Nitsch ins Zentrum einer Ausstellung.

Dabei, so das Kurator:innen-Duo Julia Moebus-Puck und Fabian Knierim, waren Fotografie und Film für das Orgien Mysterien Theater von Anfang an ein ebenso wichtiger Bestandteil wie Malerei, Zeichnung, Druckgrafik und Musik. "Nitsch wollte mit der Fotografie das unmittelbare sinnliche Erleben, das bei seinen Aktionen im Vordergrund stand, auch für die Nachwelt greifbar machen", betont Moebus-Puck. "In unserer heutigen Zeit, in der wir zunehmend auf Abstand zueinander gehen und die Alltagsfotografie oft nur schöne Scheinwelten produziert ist eine Auseinandersetzung mit diesem Teil seines Werkes aktueller denn je."

Auch wenn es Nitsch in der Fotografie – anders als etwa den Aktionisten Rudolf Schwarzkogler oder Günter Brus – in erster Linie um die dokumentarische Wiedergabe seiner Aktionen ging, wurden die Aufnahmen dennoch sehr bewusst von ihm mitgestaltet. Mitunter waren Nitschs Aktionen, wenn auch nicht ausschließlich aus künstlerischen Gründen, sogar explizit als Fotoaktion organisiert. So fand etwa die 4. Aktion nur für die Kameras und ohne Publikum statt, nachdem es bei den beiden vorausgegangenen zu heftigen Protesten, Polizeieinsätzen und einer Reihe von Anzeigen gekommen war.

Gerade Mitte der 1960er-Jahre hat Nitsch immer wieder Aktionen durchgeführt, deren Inszenierung auf das fotografische Abbild ausgerichtet war. Die vor allem in den Jahren 1963 bis 1966 entstandenen Werke dienten dem Künstler als Motivstudien für sein Orgien Mysterien Theater und machen die Herkunft des Aktionsgeschehens aus der informellen Malerei nachvollziehbar.

Die Ausstellung präsentiert Nitschs Aktionsfotografien aus den Jahren 1963 bis 1984. Neben der beachtlichen Auswahl an teils großformatigen Originalabzügen sind auch seltene Kontaktbögen zu sehen, die selbst Laien die Kompositionsvorstellung des Künstlers intuitiv nachvollziehbar machen. Unter den vertretenen Fotograf:innen sind Ludwig Hoffenreich, Siegfried Klein, Kurt Nievers, Franziska Cibulka und Heinz Cibulka die zentralen Positionen, deren Wege und Zugänge zu dieser Aufgabe sehr unterschiedlich waren. Darüber hinaus finden sich aber auch Aufnahmen von international namhaften Fotografen wie Stefan Moses.

Für diese Avantgarde der österreichischen Fotografiegeschichte bedeutet die Ausstellung im Fotomuseum Westlicht eine späte Würdigung. Denn anders als heute, wo die Fotografien der Wiener Aktionisten als gefragte Sammlerobjekte gelten und bei Auktionen immer wieder Rekordpreise erzielen, galten sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung auch unter aufgeschlossenen Kunstliebhaber:innen als kaum verkäuflich. So endete etwa der Versuch von Hermann Nitsch, seine fotografischen Werke in der Künstler-Sprechstunde des österreichischen Industriellen und Mäzens Manfred Mautner Markhof anzubieten, mit einem hochkantigen Rauswurf und brachte Günter Brus dazu, seine ebenfalls mitgebrachten Fotos gar nicht erst herzuzeigen.

Hermann Nitsch
Aktionsfotografie 1963–1984
Bis 14. Mai 2023