Händel hoch!

6. April 2011 Rosemarie Schmitt
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Jedem Händel wohnte ein Zauber inne! Nicht nur zu Anfang, verzeihen Sie in diesem speziellen Falle meinen Widerspruch, werter Hermann Hesse, denn Händels zauberhafte Affinität war gleichermaßen im Alter von Mitte zwanzig, dreißig oder fünfzig Jahren, Teil seines Seins und Schaffens. Doch war es nicht die Geschicklichkeit der Zauberer, die etwa weiße Kaninchen oder bunte Seidentücher verschwinden ließen, sondern es war der Reiz der Zauberin, an dem er Zeit seines Lebens Gefallen fand. Die Frau, die stets von magischer- und infolgedessen auch unwiderstehlicher sexueller Anziehungskraft geprägt ist, die "Maga".

Die Magierinnen in Händels "Zauberopern" beschreibt die Schriftstellerin Donna Leon folgendermaßen: "Sie sind Zauberinnen, versehen mit magischen Kräften, und sie sind imstande, auch noch so heroische Männer ihre Frauen, ihre Geliebten, ja ihre Pflicht vergessen zu lassen. Ist der Held einmal in jene Wolke aus Liebe oder sexuellem Verlangen, die die Maga umgibt, eingeschlossen, riskiert er Zerstörung, nicht nur für sich selber, sondern auch für die Frau, die er liebt."

Dieser Text stammt nicht etwa aus einem Kriminalroman der Autorin, sondern aus dem Begleitheft einer CD mit dem Titel "La Maga Abbandonata" („Die verlassene Zauberin“). Die Aufnahme ist das Ergebnis eines Konzeptes des Dirigenten Alan Curtis und der Krimiautorin Donna Leon, die sowohl eine ausgesprochene Händel-Bewunderin als auch Kennerin ist. Die Aufnahme beinhaltet magische Arien voller Gram und Wut. Wunderbare händelsche Arien, aus seinen Opern "Rinaldo", "Alcina" und "Amadigi", voller Energie, Liebe, Verzweiflung, Trauer, Wut, Schwäche, Leidenschaft. Die Frage nach der Frau, die in der Lage und geeignet ist, diese Arien zu singen, um Ihnen, liebe Leser, jene Seite Händels zu präsentieren, diese Frage stellte sich vermutlich gar nicht. Für mich kommt ohne Frage keine andere als die wunderbare, unvergleichliche und bezaubernde Simone Kermes in Betracht.

"La Maga Abbandonata" ist in der Tat zauberhaft! Eine außergewöhnliche Idee, nicht nur zur Freude jener Klassikliebhaber, die bereits über eine umfangreiche CD-Sammlung verfügen, sondern insbesondere auch für jene, die das Besondere und das besonders Gute lieben. Simone Kermes und das Ensemble "Il Complesso Barocco", unter der Leitung von Alan Curtis, verstehen sich in ausgezeichneter Weise darin, menschliche Schwäche in musikalisch herausragender Qualität darzustellen.

Doch stellt sich mir nun die Frage, ob nicht die "Schwäche" die eigentliche Stärke eines Menschen ist? Nachdem ich diese Arien hörte, mich auf die "verlassene Zauberin" einließ, den sowohl geistreichen als auch informativen Begleittext von Donna Leon gelesen habe, sehe und höre ich Händel ein klein wenig anders. Heben Sie mit mir in Gedanken das Glas, und gestatten Sie mir einen Toast auszusprechen auf diesen Händel, der durch Schwäche Stärke bewies und in meinem Ansehen noch mehr wuchs.

"Ungeachtet seines Ablebens lebe er hoch, dieser Händel, dessen Musik näher am Leben nicht sein könnte!"

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt