Guadalupe Ruiz – Nada es Eterno

In Lateinamerika wird die Familie als Tragpfeiler und soziale Basis angesehen, auf die man sich jederzeit stützen kann. Die verwandtschaftlichen Beziehungen weisen einen grundlegenden sozialen Wert auf und bilden eine Mikro-Gesellschaft, in der sich die Individuen im Schoss der omnipräsenten Familie entwickeln. Im Gegensatz dazu wird die Familie in Europa enger gesehen (geschlossener Kern versus weit gefasste Struktur). In der europäischen Familie entwickeln sich die einzelnen Mitglieder unabhängiger, die Präsenz der Familie beschränkt sich auf eher punktuelle Ereignisse (Hochzeiten, Geburten, Familienfeiern und Beerdigungen versus Alltag).

Die Darstellung der Familie nimmt im Werk von Guadalupe Ruiz (*1978, lebt und arbeitet in Biel/Bienne und Zürich) einen zentralen Platz ein. Das Thema lag auf der Hand, als Ergebnis des kulturellen Bewusstseins, das sie entwickelt hat, als sie Ende der 90er-Jahre als Heranwachsende von Bogotá in die Schweiz kam, um zu studieren. Die Ikonographie der Familie hat später auch den künstlerischen Weg bestimmt, den sie nach Abschluss ihres Studiums an der kantonalen Kunstschule Lausanne (1998-2002) und an der Zürcher Hochschule der Künste (2004-2006) eingeschlagen hat.

Neben einer Installation von Bildern, die in den Jahren 2004 bis 2012 entstanden sind und die 9 Hauptdarsteller der Filme zeigen, präsentiert das PhotoforumPasquArt erstmals die 2009 mit "I wanna die" in Scotland begonnene Video-Trilogie, deren erster Teil den Alltag der Familie der Fotografin zeigt. Mikroszenen reihen sich aneinander: Eine Gespräch in der Küche über die Schwangerschaft einer Freundin; die Katze, die mit den Socken spielt; eine defekte Waschmaschine und sintflutartiger Regen, durch ein Fenster gesehen.

"Roof Tops Bogotá", gedreht 2010, stellt Onkel Gonzalo und die Katze vor, der Onkel ist gerade daran, eine Regenrinne auf dem Hausdach zu reparieren; dann wird der Vater gezeigt, wie er einen Hundehort aufsucht, und ein anderer Onkel, Alfonso, der – vergeblich – versucht, Ordnung in sein Büro zu bringen. "The Christmas Tree", der neuste, 2012 realisierte Teil, schliesst die Trilogie mit dem Tod der Katze Campanita ab. Die Grossmutter der Familie taucht kurz auf, während Gonzalo, Onkel und Hobbykünstler – ein schwächliches Abbild des Briefträgers Cheval –, die Mauer zeigt, die er über und über mit Flugzeugen bemalt hat und der Vater Fliegen aus dem Haus jagt.

Entgegen dem, was man glauben könnte, wurden die Szenen nicht vorgängig abgesprochen. Der Blick ist zwar dokumentarisch, das Auge der Künstlerin wird aber auch angezogen vom Schönen und Absurden. Über die Jahre hinweg hat sie diesen Familienclan von beautiful losers mit sanfter Traurigkeit und einem Schuss Humor "festgehalten". Die Ausstellung stellt einen Meilenstein in der Arbeit von Guadalupe Ruiz dar und bietet eine Retrospektive der Suche und der Nachforschungen, welche sie im Rahmen dieses gleichzeitig privaten wie universellen Themas unternommen hat.

Guadalupe Ruiz – Nada es Eterno
14. Oktober bis 25. November 2012
Vernissage: 13. Oktober 12, 17 Uhr