Gottfried Salzmann. Atmosphären

In seinen zahllosen Stadtlandschaften von New York, San Francisco, Paris, Hongkong und Tokio verbindet Gottfried Salzmann Aquarell mit Mischtechnik, Fotografie und Collage. Trotz dieser Arbeit mit anderen Techniken sieht er sich vorrangig als Aquarellist, der es liebt, die Möglichkeiten des Mediums auszuschöpfen. Stets darum bemüht, Brücken zu anderen visuellen Künsten zu bauen, öffnet er mit seinen Bildern ein Fenster zum städtischen Leben, das sein Schaffen immer wieder inspiriert.

Ursprünglich war die Ausstellung als Retrospektive über ein nun schon mehr als vier Jahrzehnte umfassendes Schaffen gedacht. Bei der konkreten Vorbereitung stellte sich heraus, dass Gottfried Salzmann gerade in den letzten beiden Jahren besonders intensiv und vielfältig arbeitete. Dabei erweiterte er sein ohnehin schon reichhaltiges Spektrum um etliche Facetten: Zu seinem Repertoire an Techniken kamen neue Werkgruppen, neue technische Möglichkeiten und Sichtweisen. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde die Hälfte der Ausstellungsfläche in der Kunsthalle der Neuen Residenz seinen neuen und neuesten Werken gewidmet.

In Salzmanns jüngsten künstlerischen Arbeiten spielt die Collage eine Hauptrolle, wobei das Material aus abgerissenen Plakaten besteht, die der Künstler bei seinem letzten Aufenthalt in New York zusammengetragen hat. Geradezu akribisch setzte er diese Bruchstücke im Atelier neu zusammen. Die ursprüngliche Aussage ist nur mehr in Wort- oder Bildsplittern zu erahnen. Jenseits dieser ästhetisch verfremdeten Reklamewände breiten und türmen sich - oft mehrfach gestaffelt - die unübersehbaren Häusermeere der Megacities aus, der Salzmanns bevorzugtes Augenmerk gilt.

Seit seinem ersten Aufenthalt 1983 ließ Salzmann die Faszination für New York nicht mehr los. Landschaft und Natur wurden als anregende Motive immer unwichtiger, der Blick des Künstlers zusehends durch den Vertikalismus der Wolkenkratzer geprägt. Die großformatigen Collagen mit Ausmaßen über zwei Metern fügen sich gut in die Raumverhältnisse in der Kunsthalle der Neuen Residenz ein. Der Künstler streift damit endgültig das Image des aquarellistischen Kleinmeisters ab, obwohl er nach wie vor in diesem Genre, dem er auch seine Bekanntheit verdankt, aktiv ist.

Trotz des aktuellen Schwerpunkts ermöglicht die Ausstellung auch einen Überblick - sozusagen von Salzmanns erstem Aquarell an bis heute. Seine frühen poetisch verfließenden Landschaftsaquarelle bleiben kostbare Glanzleistungen dieser Kunstgattung, auf die sich Salzmann aber nie festlegen wollte. Über den Dächern von Paris und anderen Städten entstand so manches Spitzenaquarell, das die unverwechselbare Handschrift Salzmanns aufweist und vor allem durch Salzmanns Scharfsicht und seinen Sinn für abstrakte Strukturen besticht. Von Kennern werden besonders die Kohlezeichnungen geschätzt, von denen eine geradezu mystische Raumstimmung ausgeht. Auch sie dürfen in der Ausstellung nicht fehlen.

Bereits seit den siebziger Jahren widmet sich Salzmann auch der Fotografie, die er viele Jahre später in seine Arbeit integrierte, indem er sie mit anderen Techniken koppelte. Das Kombinieren verschiedener Medien beschäftigt und inspiriert Salzmann heute mehr denn je: Aquarell, Fotografie, Druckgrafik, Zeichnung und Collage verbinden sich und verschmelzen, manchmal bis zur Ununterscheidbarkeit. In der Ausstellung sind erstmals auch einige nicht weiter bearbeitete bzw. überarbeitete Fotografien von Salzmann zu sehen. Diese sind Ergebnisse von urbanen Streifzügen, deren surreal wirkende Rätselhaftigkeit großteils auf dem Spiegelungseffekt beruht, dem auch der Aquarellist Salzmann ein leidenschaftliches Interesse entgegenbringt.

Der unermüdliche Schaffenseifer Salzmanns lässt den Künstler immer wieder neue Horizonte erreichen. Ein verbindendes Charakteristikum ist bis heute die atmosphärische Grundnote seiner Arbeiten geblieben, die der Titel der Ausstellung zum Ausdruck bringen soll. Luftigkeit und Transparenz, schwerelose Bewegtheit im Raum, Unbegrenztheit des Blicks – der Betrachter hebt unweigerlich ab von der Realität, die ihm dennoch in massiven Dosen vor Augen geführt wird.

Gottfried Salzmann. Atmosphären
20. Juli bis 6. Oktober 2013