Generalangriff auf die bürgerliche Ordnung: Die Marx Brothers

16. Dezember 2013 Walter Gasperi
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Wo die Marx Brothers auftraten, breitete sich das Chaos aus. Anarchistisch und aggressiv waren ihre Filme und haben gerade deswegen nichts von ihrem Unterhaltungswert verloren. Wie jedes Jahr präsentiert das Österreichische Filmmuseum auch heuer zwischen Weihnachten und Neujahr Filme dieser begnadeten Komiker.

Während der Stern anderer Komiker wie Harold Lloyd oder Buster Keaton mit Beginn des Tonfilms sank, begann die Karriere der Ende des 19. Jahrhunderts als Söhne deutsch-jüdischer Immigranten geborenen Marx-Brothers gerade mit der neuen Ära. Zu fünft waren sie ursprünglich, ihre ersten Bühnenauftritte hatten sie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Ab etwa 1910 tourten sie mit Vaudeville-Shows durch die USA und festigten ihren Ruf als Bühnenkomiker in den 1920er Jahren mit den Musicals "I´ll Say She Is" (1924), "The Cocoanuts" (1925) und "Animal Crackers" (1928).

Schon zu dieser Zeit zog sich Gummo hinter die Bühne zurück und Zeppo, der im Kontrast zu seinen Brüdern einen Normalbürger spielte, trat nur in den ersten fünf Filmen auf. So blieben Groucho, Harpo und Chico, von denen jeder einen speziellen Typ verkörperte, der auf seine Weise die Gesellschaft attackierte.

Obwohl rasend schneller – und im Grunde nicht synchronisierbarer - Wortwitz ihre Filme bestimmt, agierte der hellrot gelockte Harpo stumm, spielte dafür Harfe und verständigte sich vorwiegend mit einer Hupe, die er neben zahlreichen anderen Gegenständen unter seinem Mantel trug.

Chico mimte dagegen den kleinen Gauner, sprach mit starkem Akzent, der ihn ebenso wie sein tütenförmiger Hut und seine zusammengewürfelte Kleidung als italienischen Einwanderer kennzeichnen sollte. Im Gegensatz dazu karikierte Groucho die Vertreter der bürgerlichen Gesellschaft. Aufgemalter Schnurrbart, Brille und Zigarre waren die äußeren Markenzeichen dieser Figur, ihr Handeln war von hemmungslosem Egoismus bestimmt. Sein einziges Interesse ist die Vermehrung von Vermögen und Macht, auch für Frauen interessierte sich Grouchos Figur nur wegen ihres Geldes. Seinem atemlos schnellen Redeschwall konnte niemand folgen und mit seinen Wortspielereien sorgte er für Chaos.

Wie 25 Jahre später Jerry Lewis ritten die Marx Brothers Attacken gegen die bürgerliche Gesellschaften und stürzten Sozialisationsinstanzen wie ein College in "Horse Feathers" (1932), das Theater in "A Night at the Opera" (1935) oder Armee und Staat in "Duck Soup" (1935) ins Chaos. Wie Laurel und Hardy lebt ihre Komik von Destruktion. Kein Stein bleibt in ihren Filmen auf dem anderen, Autoritäten werden gestürzt.

Ihre Filmkarriere starteten sie mit Adaptionen ihrer Broadway-Erfolge "Cocoanuts" (1929) und "Animal Crackers" (1930). In "Monkey Business" (1931) stellten sie als blinde Passagiere einen Ozeandampfer auf den Kopf, in "A Day at the Races" (1937) trieben sie ihr Unwesen auf einer Pferderennbahn und nahmen mit ihren Späßen gesellschaftliche Konventionen und Tabus aufs Korn.

Ab Mitte der 1930er Jahre verloren die Filme der Marx-Brothers aber zunehmend an Bissigkeit, da Metro-Goldwyn-Mayer die Komikertruppe durch Verstärkung einer romantischen Handlung und Musiknummern zur Familienunterhaltung machen wollte. Dennoch finden sich auch in Filmen wie "At the Circus" (1939), "Go West" (1940) oder "A Night in Casablanca" (1946) zahlreiche brillante und aberwitzige Szenen. Nach 13 gemeinsamen Filmen trennten sich die Brüder 1949. Während Harpo und Chico sich ins Privatleben zurückzogen, startete Groucho eine zweite Karriere beim Fernsehen und wurde mit der Quizshow "You Bet Your Life", die er zum Podium für kalauernde Beleidigungen nützte, in den USA zu einem der populärsten Showmaster der 1950er Jahre.

Für einen Film von Billy Wilder wollten sie sich 1960 noch einmal zusammen tun, doch kam das Projekt wegen des schlechten Gesundheitszustands von Chico nicht zustande. Chico starb dann auch schon 1961, Harpo 1964 und Groucho, Gummo und Zeppo in den späten 1970er Jahren.

Ausschnitt aus "A Night at the Opera"