Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus - die Schenkung Jörg Johnen und die KiCo Stiftung

"Fragment of an Infinite Discourse – Fragment eines endlosen Diskurses" ist der Titel eines Kunstwerks des mexikanischen Konzeptkünstlers Mario García Torres. Drei Glasringe greifen ineinander, ohne sich zu berühren. Das Werk bildet den Auftakt zur Ausstellung und veranschaulicht deren Programm. Es zeigt, wie subtil und zugleich unauflöslich die Dinge miteinander verbunden sind, und regt unterschiedliche Assoziationen, Empfindungen und Deutungen an. Ganz anschaulich zeigen die Ringe als geometrische Elemente die unendliche Kreisform an. Fragment of an Infinite Discourse soll daher als Ausstellungstitel die Fülle der konzeptuellen Positionen anzeigen und zugleich die vielfachen Möglichkeiten der Interpretationen und Perspektiven eröffnen.

Gleich im ersten Raum der Ausstellung begegnet uns "Fragment of an Infinite Discourse" im Dialog mit Arbeiten von Giorgio Griffa, Prabhavathi Meppayil und Karin Sander. Gemeinsam zeigen die Werke eine Bandbreite an künstlerischen Methoden und kulturellen Traditionen, die hier miteinander in Kontakt und zu wechselseitiger Erhellung in Beziehung gesetzt werden. Dabei stehen die Methoden und werkspezifischen Logiken von Malerei, Konzeptkunst und angewandten Techniken im Vordergrund.

Die Ausstellung vereint die Vielfalt unterschiedlicher Akteure und Positionen der Gegenwartskunst in den Sammlungen des Lenbachhauses: Die Sammlung internationaler Nachkriegs- und Gegenwartskunst der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau gründet auf den Errungenschaften des Blauen Reiter als dem Herzstück der Sammlung. Diese Errungenschaften sind zum einen das, was Wassily Kandinsky als "große Abstraktion und große Realistik" beschrieben hat – hierzu gehört die Emanzipation der Farbe vom Gegenstand. Anderseits sind es das Bewusstsein für aktuelles Zeitgeschehen, die Gleichberechtigung der Geschlechter und der Künste und immer auch ein transnationales Denken. All diesen Ideen bleiben wir in der Gegenwart verpflichtet und tragen sie in die Zukunft. Auf sie bauen wir unser Selbstverständnis als Museum für eine diverse Gesellschaft, ein breites Publikum und ein kritisches Denken. Sie finden sich auch wieder im in der damaligen Öffentlichkeit umstrittenen Ankauf von Joseph Beuys’ "Environment zeige deine Wunde" 1979/80. Seither ist die Sammlung stetig gewachsen: Die Sammlung KiCo, die die Bestände seit 1999 ergänzt, entstand ebenfalls aus der Begeisterung für malerische Praxen, die Gegenständliches in Farbe und Licht auflösen. Sie spannt den Bogen von Bildwerken, die jedem malerischen Darstellungsauftrag zugunsten eines reinen Farberlebnisses entsagen wie bei Josef Albers, Mojé Assefjah und Marcia Hafif, bis zu politischen und gesellschaftskritischen Positionen in Film, Fotografie und Installation wie General Idea, Dominique Gonzales-Foerster und Wolfgang Tillmans. Rosa Barba, Senga Nengudi und Isa Melsheimer sind die neusten Zugänge, die in "Fragment of an Infinite Discourse" gezeigt werden.

2023 kommt mit der Sammlung Jörg Johnen eine weitere Privatsammlung als dauerhafte und bedingungslose Schenkung an das Museum. Sie setzt mit malerischen und konzeptuellen Positionen einen Schwerpunkt, der die Bestände von Lenbachhaus und Sammlung KiCo auf ideale Weise ergänzt. Die spezifische Qualität der Sammlung von Jörg Johnen resultiert aus den vielfältigen beruflichen Tätigkeiten und den damit verbundenen Expertisen des Sammlers. Jahrzehnte war Johnen als Galerist international erfolgreich – auch weil seine kritischen Ambitionen im Fach der Kunstgeschichte seinem Galerieprogramm eine besondere Glaubwürdigkeit und Anerkennung im gesamten "Kunstbetrieb" verliehen haben. Seine Tätigkeit als Sammler ist daher nicht nur einer Leidenschaft, sondern auch einem aufgeschlossenen intellektuellen Interesse geschuldet.

So gibt es in seinem Repertoire Künstlerinnen, die erst jetzt in den Fokus von Museen geraten: Maria Bartuszová, Maureen Gallace, Beate Kuhn und Wiebke Siem. Zum Teil werden Positionen, die das Lenbachhaus zu sammeln begonnen hat, aber aus eigener finanzieller Kraft nicht fortsetzen konnte, um bedeutende Werke ergänzt. Dazu gehören Rodney Graham, Wade Guyton und Jeff Wall. Darüber hinaus schließen wir mit der Schenkung Lücken, die bisher in den Beständen des Lenbachhauses zu spüren waren. So hatte sich die Sammlung bisher meist am westlichen Kunstgeschehen orientiert, wobei Osteuropa weitgehend ausgeklammert war. Mit Werken von Maria Bartuszová, Florin Mitroi, Roman Ondak und Wilhelm Sasnal wird diesem Desiderat nun nachgegangen. Mit Prabhavathi Meppayil gelangt nach Sheela Gowda und Tejal Shah eine weitere Künstlerin in die Sammlung, mit der der Fokus auf (West)Europa und Nordamerika aufgebrochen wird. Auch konzeptuelle "Schwergewichte" wie Katharina Fritsch, Mario García Torres, Rodney Graham und Stephen Prina waren bisher kaum oder gar nicht im Lenbachhaus vertreten.

Nicht zuletzt wird die Sammlung um Werke ergänzt, die sich im hybriden Bereich zwischen freier und angewandter Gestaltung bewegen. Sie bezeugen das beseelte Spannungsverhältnis zwischen den Künsten: Das Bildende und das Angewandte existierten zur Zeit des Blauen Reiter nicht nur gleichberechtigt nebeneinander, sondern das Angewandte inspirierte das Bildende auf fruchtbare Weise. Dieses Nebeneinander gelangt auch mit den Sammlungen KiCo und Johnen und den Positionen von Maria Bartuszová, Beate Kuhn, Johannes Nagel, Isa Melsheimer und Phil Sims in die Bestände.

Fragment of an Infinite Discourse.
Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus, die Schenkung Jörg Johnen und die KiCo Stiftung
Ab 28. Juni 2023