Gallus – Kult, Kitsch, Karikatur

Als Heiliger, Landespatron und Identitätsträger, Markenzeichen und Mythos blickt Gallus auf eine beispiellose Karriere zurück. Die Ausstellung "Gallus – Kult, Kitsch, Karikatur" bietet überraschende Einblicke in diese Tradition. Gallus präsentierte sich in St.Gallen und der Ostschweiz im Verlauf der Jahrhunderte sehr vielfältig. Unterschiedliche "Gallusse" stehen nebeneinander.

Gallus galt als Schutzheiliger, Stadtgründer oder Kulturbringer, war Wirtschaftsfaktor, Hoheitszeichen, Imageträger. Historisch aufgearbeitet ist diese Thematik nur ansatzweise, im Fokus der Fachliteratur stehen Kloster-, Kunst- und Kirchengeschichte. Die Ausstellung "Gallus – Kult, Kitsch, Karikatur" ist damit ein Pionierprojekt. Sie beleuchtet Gallus aus neuen Blickwinkeln. Im Mittelpunkt stehen Objekte vom Mittelalter bis in die Gegenwart: vom sakralen Kirchenschatz bis zum Fussball-Maskottchen aus unserer Zeit. Hier gibt es viele ungehobene oder vergessene Schätze zu entdecken, die wiederum auf spannende Zusammenhänge führen.

Die Ausstellung präsentiert wertvolle Leihgaben aus Kirchen und Museen wie auch viele überraschende Zeugnisse der Alltagskultur. Highlights der älteren Zeit sind etwa eine frühe Gallus-Altarfigur (1490), eine Monstranz mit einer Gallus-Reliquie (1605) und ein kostbares geschnitztes Holzrelief aus dem alten Kloster St.Gallen (1535). Der Bereich Kitsch ist vor allem durch Andachtsbildchen vertreten – Zeugnisse einer einst weit verbreiteten Volksfrömmigkeit. Zu den Neu- oder Wiederentdeckungen aus jüngerer Zeit zählen etwa Fotos der Löwen Gallus und Pretoria – der Kanton bekam die Tiere 1953 geschenkt – und das Modell für ein Bärengehege auf Peter und Paul, ein Projekt aus den 1980er Jahren.

Bemerkenswert sind auch der "Rote Gallus" – eine St.Galler Untergrundzeitschrift von 1970 – oder die Karikaturen von René Gilsi und Manuel Stahlberger. Insgesamt vermittelt die Ausstellung einen Eindruck von der enormen Fülle und Vielfältigkeit von Formen und Funktionen, mit der Gallus in der Ostschweiz präsent war – und zum Teil noch immer ist. Gleichzeitig macht sie bewusst, dass sich in all diesen "Gallus-Bildern" jeweils auch die politischen, geistigen und kulturellen Verhältnisse der Zeit spiegeln.

Gezeigt wird die Ausstellung in der unteren Gewölbehalle des Museums, die stimmungsvoll als Sakralraum inszeniert ist. Gestalterischer Leitfaden ist der Kreis als Sinnbild für Vollkommenheit und Harmonie, aber auch für den Kosmos, die Welt, die Gallus bereist hat. Im Ausstellungssaal hängen kreisrunde Leichtmetallringe mit Fadenvorhängen. Die Objekte werden innerhalb dieser schwebenden "Säulen" präsentiert. Die Installationen sind speziell illuminiert und stehen im abgedunkelten Ausstellungssaal als Lichtsäulen da. Sie lassen die ausgestellten Stücke nur erahnen; der Überraschungseffekt steigert die Neugier.

Zum visuellen Eindruck gesellt sich das taktile Moment. Das Berühren des Vorhangs erinnert an das Bedürfnis, eine Reliquie zu berühren. Das Gefühl, hinter dem Vorhang etwas Wertvolles zu entdecken, wird gesteigert und so der Kultcharakter der ausgestellten Objekte betont. Gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, ob nicht jeder Gegenstand mit entsprechender Inszenierung zum Kultobjekt werden kann – und wie Gallus in unterschiedlicher Weise zur Kultfigur gemacht wurde.

Gallus – Kult, Kitsch, Karikatur
20. April bis 21. Oktober 2012