Freud’s Dining Room. Möbel bewegen Erinnerung

Zwischen zwei Freud-Jubiläen - 120. Geburtstag von Anna Freud in diesem Jahr und 160. Geburtstag von Sigmund Freud im nächsten - greift das Volkskundemuseum Wien einen bislang kaum beachteten Aspekt in der Geschichte der Familie Freud auf: In Form einer Installation in der Schausammlung des Museums zeigt die Ausstellung von 2. Oktober 2015 bis 31. Mai 2016 in Kooperation mit dem Freud Museum London jene Möbel, die Anna Freud bei ihrer Emigration nach London mitnahm und untersucht Erinnerungsobjekte in Zeiten der Flucht.

In London, 20, Maresfield Gardens, dem letzten Wohnort der Familie Freud, entdecken BesucherInnen im sog. Dining Room bemalte Möbel ländlich-alpiner Herkunft. Diese überwiegend aus Oberösterreich, einer Gegend mit einer vitalen und ausdifferenzierten Möbelmalereitradition stammenden Möbel erwarb Anna Freud (1895–1982) um 1930 über den Antiquitätenhandel; sie fanden Platz in einem von den Architekten Ernst Freud – ihrem Bruder –, Karl Hofmann und Felix Augenfeld adaptierten Weekend-Haus in Hochrotherd, rund 40 km von Wien.

1938, nach dem "Anschluss" Österreichs an NS-Deutschland, war auch die Familie Freud systematischen NS-Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und entschloss sich schließlich zur Flucht. Neben der welt-berühmten Antikensammlung von Sigmund Freud konnten dank internationaler Hilfe auch die eher gewöhnlichen Alltagsmöbel aus Hochrotherd nach London ausgeführt werden. Seit Jahrzehnten bilden sie dort, im Freud Haus, gemeinsam mit einem historischen Bildersouvenir aus Bad Gastein und einer Pendeluhr aus Wien, ein "Österreich-Zimmer" im Exil.

2015 sind die Möbel der Psychoanalytikerin und Pädagogin Anna Freud sowie die Pendeluhr der Familie zu Besuch in Wien. Auf Grund ihrer Geschichte verwehren sie sich allerdings einer, wenn auch nur temporären, Rückführung nach Österreich. Und trotzdem sind sie gegenwärtig und anwesend, in Form von Substituten bzw. memory objects – Elementen, die in ihrer Materialität eine spezifische Geschichte speichern, an sie erinnern und sie vermitteln. Im Museum wird der Erfahrung der erzwungenen Emigration und einer möglichen neuen Bedeutung der Möbel für ihre Besitzerin im Exil nachgespürt.

Hier, in Wien, bildet sich eine Art Klammer, die früh – in den 1930er Jahren – ansetzt, die Geschichte mit dem Weiterleben der Objekte in Großbritannien bzw. London fortführt und bis in die Gegenwart heranführt. Im Dialog mit der Möbelsammlung des Museums entwickelt die Ausstellung Lesarten für diese "Dinge der Emigration" und will als Intervention auch Fragen entstehen lassen, die für das Volkskundemuseum, seine Sammlung und seine Zeigepraxis selbst von Relevanz sind.


Freud’s Dining Room. Möbel bewegen Erinnerung
2. Oktober 2015 bis 10. Juli 2016