Forster 1754 – 2015

"Vor allen Dingen aber ist zu bemerken, daß man einerley Dinge oft aus verschiedenen Gesichtspunkten ansiehet, und daß dieselben Vorfälle oft ganz verschiedene Ideen hervorbringen." Das Zitat stammt von Georg Adam Forster (1754 – 1794), dem zwischen 1788 und 1792 in Mainz als Bibliothekar wirkenden Wissenschaftler und republikanisch gesinnten Vordenker. Bereits als Siebzehnjähriger begab er sich zusammen mit seinem Vater Johann Reinhold Forster an Bord des Schiffes, mit dem Kapitän James Cook seine zweite Weltumseglung unternehmen sollte. Die Erfahrungen und Beobachtungen, die er während der dreijährigen Reise machte, sollten seine gesamte Sicht der Welt prägen.

Georg Forster erstellte in dieser Zeit detailreiche Zeichnungen von Flora, Fauna und Landschaften der von ihm bereisten Gegenden, legte ein umfangreiches Herbarium mit Pflanzenbelegen an, sammelte gemeinsam mit seinem Vater Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus unterschiedlichen Kulturen und verfasste nach seiner Rückkehr das bis heute berühmte Werk Reise um die Welt. In all diesen Dokumenten drückt sich nicht nur Georg Forsters herausragende Beobachtungsgabe, sondern auch seine Unvoreingenommenheit gegenüber fremden Kulturen aus. Sein erstes Interesse galt dem Menschen selbst und dessen Eingebundensein in die Landschaft, die Natur, das Staatswesen und die Geschichte. Seine größte Sehnsucht bildete eine Zivilisation, in der ein gleichberechtigtes, freies Miteinander herrschte.

Forsters Betrachtungsweise der Welt ist zeitlos und lässt Rückschlüsse auf unsere gegenwärtige Welt und ihre Verfasstheit zu. Heute müssen wir keine Weltreisen mehr antreten, um mit dem Andersartigen konfrontiert zu werden. Das Fremde findet sich im und unter dem Eigenen, im gesellschaftlichen Gefüge, in Konflikten und Krisen. Dennoch ist der Beobachter in jeder Begegnung mit dem Unbekannten gefordert, und aus gestörter Vertrautheit geht ein Mehr an Erfahrungen hervor.

Ausgehend von Georg Forsters vielseitigen Hinterlassenschaften und seinen Reisen stellt die Ausstellung "Forster 1754 – 2015" vor allem die Frage nach der Begegnung mit dem Fremdartigen und den daraus resultierenden Rückwirkungen auf die eigene Kultur und den Verflechtungen mit ihr. Zu sehen sind Versuche, sich mit den heute umso dringlicher benötigten Betrachtungsweisen und Weltwahrnehmungen Georg Forsters auseinanderzusetzen und sie zu verbildlichen. Ganz im universellen Forster’schen Sinne werden ethnografische, botanische, historische sowie zeitgenössische Exponate und Konzepte zueinandergebracht – Dinge, die auf eine Art zusammengehören und die sich formal oder inhaltlich ergänzen. Die zeitgenössischen Künstler Lothar Baumgarten, Camille Henrot und Friedemann von Stockhausen setzen sich mit Georg Forster, seinen Vermächtnissen und der fortdauernden Aktualität seines einfühlsamen wie visionären Blicks auf die Welt auseinander und verwandeln dafür die drei Ausstellungshallen in Denk- und Wahrnehmungsräume.


Forster 1754 – 2015
Lothar Baumgarten
Camille Henrot
Friedemann von Stockhausen
2. Oktober 2015 bis 24. Januar 2016