Eine Handvoll Erde aus dem Paradies

Die Auseinandersetzung mit Fetischen, Dingmagie und Metamorphosen, mit dem Sphärischen, Transzendenten und Heiligen hat seit jeher Künstler fasziniert und tut es bis heute. Das belegt die Sammlung des Museum Morsbroich. Yves Kleins "Monochrome bleu" aus dem Jahr 1959, Bernhard Schultzes fabelhafte Kunstwesen, die Migofs, wie auch die riesigen kultischen Objekte aus Klaviertasten des belgischen Bildhauers Vic Gentils – sie schlagen den Betrachter durch ihren magischen Charakter in ihren Bann und demonstrieren einmal mehr, welche herausragenden Schätze die Sammlung birgt. Die Ausstellung spürt gezielt diesen magischen Werken und ihrem Reiz nach.

"Eine Handvoll Erde" aus dem Paradies handelt vom Potential der Kunst, dem Numinosen eine Form zu geben und umgekehrt das Profane, Alltägliche zu verwandeln und magisch aufzuladen. So konnte für Daniel Spoerri 1966/67 eine Handvoll Erde aus dem Garten seines Vermieters auf der griechischen Insel Symi zur "Handvoll Erde aus dem Paradies" werden.

Mit fetischartigen Objekten tritt Daniel Spoerri das Erbe der Surrealisten an, die Zeugnisse kultischer Praktiken sammelten und den Ursprung der Kunst in der Magie suchten. Als Künstler-Magier verfolgt der Schweizer neue Bildstrategien in Anlehnung an ein Verständnis von "Magie" als Traumdeutung, als asketische Praxis wie auch als "Kunst des Messers" (Spoerri 1968) – des Messers, das nach dem Prinzip der Collage Gegenstände teilt und neu in Beziehung zueinander setzt. Kuhhorn und Rattenschwanz werden mit Fundstücken aus Metall oder einer ausgehöhlten Kokosnuss kombiniert und wie Reliquien als Zimtzauberkonserven präsentiert.

Mit Ausstellungen wie "Monochrome Malerei" (1960), "Metamorphosen" (1965) und "Fetisch-Formen" (1967) lenkten die ehemaligen Museumsdirektoren Udo Kultermann (1959–1964) und Rolf Wedewer (1965–1995) den Blick auf magische Kunstwerke, deren Öffnung ins Transzendente und Religiöse, ins Traumhafte und Phantastische neue Perspektiven zur Deutung der Welt erschlossen. In die Sammlung gelangten Werke wie Otto Pienes visionäres Himmelsbild "La Lune en Rodage" (Der Mond als Nachtschwärmer, 1961/67), Arbeiten von Lucio Fontana, der mit Schnitten in die Leinwand das Bild in einen tiefen, mystischen Raum öffnet, und Alexander Calder, der mit seinen Mobiles physische, mentale und emotionale Sphäre zu verbinden suchte.

Zu Günter Ueckers Nagelbildern gesellen sich Fetischobjekte von Joachim Bandau, zu Arnulf Rainers Übermalungen ein an religiöse Praktiken erinnerndes Schüttbild von Hermann Nitsch, zu einem totemistischen Gemälde von Adolf Fleischmann die spirituellen Leinwandarbeiten des an schamanischen Riten interessierten Michael Buthe, zu Daniel Spoerris aus "Krims-Krams" gefertigten Zimtzauberobjekten eine zum Kinderfräulein (1964) mutierte Schreibmaschine Konrad Klaphecks.

Die magische Sammlung des Museum Morsbroich, zu der sich diese Bilder und Objekte im Lauf der Jahre fügten, bildet einen wichtigen Teil des musealen Bestands, der nun erstmals in einer Überblicksschau präsentiert und um bedeutende Leihgaben ergänzt wird.

Mit Werken u.a. von Joachim Bandau, Michael Buthe, Alexander Calder, Natalie Czech, Lucio Fontana, Gotthard Graubner, Alexei von Jawlensky, Konrad Klapheck, Yves Klein, Francesco Lo Savio, Adolf Luther, Piero Manzoni, Francois Morellet, Gabriele Münter, Hermann Nitsch, Otto Piene, Arnulf Rainer, Edward Ruscha, Jan J. Schoonhoven, URSULA, Bernard Schultze, Daniel Spoerri, Günther Uecker, Jef Verheyen, Günter Weseler und Johannes Wohnseifer.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Kerber Verlag, mit einem kuratorischen Vorwort von Markus Heinzelmann und wissenschaftlichen Essays von Dorothee Böhm, Kay Heymer, Stephan von Wiese und Astrid Wege und einem Bildteil mit Fotografien aus den Depots des Museum Morsbroich von Laurenz Berges (128 S., ca. 100 überw. farbige Abb.; EUR 18,- an der Museumskasse; ca. EUR 30,- im Buchhandel).

Eine Handvoll Erde aus dem Paradies
Magische Bilder und Objekte aus dem Museum Morsbroich
29. September 2013 bis 12. Januar 2014