Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou

Mit ca. 160 Arbeiten von über 100 Künstlern bietet "Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou" einen Überblick über künstlerische Positionen in Malerei, Skulptur, Installation, Video, Fotografie und Performance seit den 1980er-Jahren. Die Sammlung zeitgenössischer Kunst des Centre Pompidou wurde außerhalb von Frankreich selten so umfangreich präsentiert. Die Entstehungszeit der ausgewählten Werke reicht von den 1980er- Jahren bis zur Gegenwart.

Somit rührt die Präsentation an zwei Fragen: Welche Faktoren sind dafür maßgeblich, dass Kunstgeschichte auf eine ganz bestimmte Weise geschrieben wird? Und was bedeutet ein sich ständig wandelndes Verständnis von "zeitgenössisch" für öffentliche Museen mit eigener Sammlung? Die Konzentration auf europäisch-amerikanische Domänen, die für Museen mit eigener Sammlung beim Ankauf von Werken lange charakteristisch war, erhalten sie heute kaum aufrecht, und streben auch nicht mehr danach. Zu sehr ist für das Bild, das zeitgenössische Kunst heute bietet, die Globalisierung wesentlich mitbestimmend. Entsprechend definiert Kuratorin Christine Macel ihr Vorhaben als "eine Geschichte" der zeitgenössischen Kunst - unter mehreren möglichen.

Mit dem Prozess der Globalisierung – hier verstanden als Konsolidierung ökonomischer, technologischer und finanzieller Systeme –, hat sich das Verständnis von Identität gewandelt. Etwa seit der ersten global angelegten Biennale in Havanna 1986 strengen sich die Ausstellungsmacher und jedes größere Museum in Europa oder Nordamerika an, Kunst aus "entlegenen" Regionen zu zeigen. Insgesamt ist ein auf Herkunft und Heimat fußendes, statisches Verständnis von Identität mehrheitlich einem transnationalen und veränderlichen gewichen.

Für das Centre Pompidou markierte die dort ausgerichtete Ausstellung "Les Magiciens de la Terre" den Wendepunkt. Mit dieser Schau aus dem Jahr 1989 wollte Kurator Jean-Hubert Martin dem Problem der "einhundert Prozent Ausstellungen, die achtzig Prozent der Welt ignorieren" begegnen. Die Hälfte der beteiligen Künstler stammte aus nicht-westlichen Ländern. Zudem waren die Künstler ohne Ausnahme noch aktiv, die Ausstellung somit vollkommen zeitgenössisch. Seitdem hat das Centre Pompidou - wie andere große Museen auch - seine Ankaufpolitik allmählich verändert und seine Aufmerksamkeit verstärkt auf Osteuropa, China, Libanon, den Mittleren Osten, Indien, südliches Afrika, Mexiko und Brasilien gerichtet.

Mittlerweile hat sich das Verständnis von Herkunft weiter gewandelt, und damit einhergehend auch die Definition von "ortspezifisch". Noch in den 1960er/70er-Jahren begriffen etwa die Künstler der Land Art Landschaften vornehmlich als postindustrielle Ruinen. In der heutigen künstlerischen Praxis dagegen ist, so Okwui Ewenzor, Raum in erster Linie politisch und sozial definiert: durch traumatische geschichtliche Ereignisse, Heimat, Exil, Diaspora und hybride Identitäten – wie Afrikanisch-Amerikanisch, Latino, Türkisch-Deutsch, Französisch-Arabisch, Afrikanisch-Brasilianisch u.Ä. Nicht von ungefähr blickt der Ausstellungsbetrieb bereits auf eine Reihe von Schauen zurück, die sich auf die Themen Migration und Grenze konzentriert haben.


Der Katalog "Une historie. Art, architecture, design des années 1980 à nos jours" (hrsg. von Christine Macel, Centre Pompidou/ Flammarion 2014, ISBN 9782844266910) wird um einen deutschen Einleger, produziert von Hirmer, ergänzt und kostet 39,90 Euro.

Eine Geschichte: Zeitgenössische Kunst aus dem Centre Pompidou
25. März bis 4. September 2016