Ein weiteres Abenteuer der wunderbaren Erbsenzähler

29. Juli 2015 Rosemarie Schmitt
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Gerne schreibe ich über außergewöhnliche, nicht jedermann bekannte Kompositionen. So auch heute. Es geht um drei Ungarische Tänze von Johannes Brahms, um Beethovens Sinfonien und Schumanns Leonoren-Ouvertüre. Was daran außergewöhnlich und nicht jedermann bekannt sein soll??

Paavo Järvi und seine Deutsche Kammerphilharmonie Bremen nehmen sich der Großen auf sehr besondere Weise an. Sie beschäftigen sich außergewöhnlich intensiv mit einem Werk, ergründen und erforschen akribisch, wie die berühmten Erbsenzähler, alles scheinbar Bekannte. Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten werden hinzu- und zu Rate gezogen. Auf diese Art und Weise gelingt es ihnen immer wieder, den Kompositionen Geheimnisse zu entlocken und ihre Hörer zu überraschen.

Mit Beethoven haben sie es bereits erfolgreich getan, ebenso mit Schumann. Anfang Juli veröffentlichte SONY-Classical die aktuelle CD, eine Art Porträt, von Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Zu Hören sind nicht nur die Höhepunkte der Beethoven und Schumann-Projekte, sondern auch, quasi eine Kostprobe des neuen Abenteuers von Järvi und seinen Bremer Musikern. Sie haben sich Johannes Brahms vor- und sich dessen vielleicht scheinbar so vertrautem Repertoire angenommen. Es ist ein vorsichtiger Schritt (wie es im Beiheft der CD zu lesen ist), mit dem sie sich dem Werk von Brahms nähern. Die ungarischen Tänze 1, 3 und 10 sind nicht die berühmtesten, indes jene, die Brahms selbst, auf Wunsch seines Verlegers Simrock, orchestrierte.

Seit seiner Konzertreise mit dem ungarischen Geiger Eduard Reményi im Jahre 1853 (Brahms war 20), sammelte der Komponist Zigeunerweisen. So geschickt und sensibel wie Johannes Brahms hat kein anderer seitenweise die so typischen Saitenweisen auf das Klavier übertragen. Vielleicht hatte er das Herz eines Zigeuners, wofür auch seine Reiselust spräche. Kaum ein anderer Komponist hat sein Schaffen an so vielen unterschiedlichen Stationen vollzogen wie er. Heute würde man von einer ellenlangen Meldekette sprechen. Er hatte nicht nur ein bewegtes Leben, sondern er selbst war es, der etwas bewegte.

Zu gerne wär ich das berühmte Mäuslein, wenn Järvi mit seinen Musikern und Fachleuten zusammensitzt und in die Tiefen von Johannes Brahms‘ Leben und Kompositionen taucht. Weshalb hat er was, wann genau so und nicht anders geschrieben? Wo, mit wem und wie lebte er zu jener Zeit? Wie war seine familiäre, seine wirtschaftliche und emotionale Situation? Ob sie auch diesen Dingen auf den Grund gehen? Sicherlich, denn ich bin davon überzeugt, dass der Künstler und sein Werk untrennbar miteinander verwoben sind. Könnten wir doch Brahms selbst danach fragen. Doch ob er sich wirklich jedes Motives für eine Entscheidung bewusst gewesen ist?

Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, was Järvi und seine Mannen (und Frauen selbstverständlich) herausfinden und zu Gehör bringen werden. Die bisherigen Projekte, und die Ungarischen Tänze auf dieser aktuellen CD, haben mich davon überzeugt, dass ich eine Überraschung getrost erwarten darf. Ich freue mich auf ein weiteres Abenteuer dieser detailbesessenen wunderbaren "Erbsenzähler".

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt