Ein Meisterwerk und sein (fast) vergessener Sammler

Im Fokus der Ausstellungsreihe Ansichtssache im Kunsthistorischen Museum in Wien stehen außergewöhnliche Werke der Gemäldegalerie, die aus Platzgründen nur selten gezeigt werden können oder aufgrund von jüngeren Forschungsergebnissen zu einer erneuten oder erstmaligen Betrachtung einladen.

Nicht nur den Habsburgern verdankt das Kunsthistorische Museum viel: Gerade im frühen 20. Jahrhundert sorgten immer wieder auch bürgerliche Sammler dafür, dass die Bestände wuchsen. Mit der Ansichtssache #27 erinnert das Museum an einen seiner wichtigsten Mäzene – Gustav von Benda (1846 – 1932). Er stiftete seine reiche Sammlung von Skulpturen, Gemälden und anderen Werken 1932 dem Kunsthistorischen Museum.

Im Zentrum der Ansichtssache #27 steht ein meisterhaftes Mariengemälde, das zu Bendas Legat gehört. Benannt nach diesem Bild, ist sein Schöpfer als "Meister der Benda-Madonna" der Fachwelt bekannt. Dieser anonyme Künstler zählt sicher zu den originellsten Malern, die am Ende des 15. Jahrhunderts am Oberrhein, im direkten Umfeld des großen elsässischen Künstlers Martin Schongauer (1445/50 – 1491) tätig waren. Bevor er sich am Oberrhein niederließ, hat der Künstler offenbar prägende Erfahrungen in den Niederlanden gesammelt: Dafür sprechen neben maltechnischen Besonderheiten etwa der stark niederländische Charakter der Marienfigur. Anders als die übrigen Werke des Benda-Meisters weist die Wiener Tafel keinerlei Übernahmen aus den vielrezipierten Kupferstichen Schongauers. Aus diesem Grund dürfte der anonyme Maler seine Maria mit Kind am Beginn seiner Tätigkeit am Oberrhein geschaffen haben, bevor er auf die Arbeiten Schongauers aufmerksam wurde.

Das Gemälde zeigt Maria als Halbfigur mit ihrem Kind, dem Jesusknaben. Es vertritt damit einen Typus repräsentativer Marienbilder, der bereits in der Spätantike entstand und dem man seitdem in zahlreichen Variationen und verschiedensten Medien begegnet. Die Madonnentafel unseres Anonymus ist ein betont exquisites und aufwändig gefertigtes Werk. Seine prachtvolle Wirkung verdankt es vor allem den tiefen Rottönen, den kostbaren Stoffen und Perlen und nicht zuletzt den zahllosen Glanzlichtern, die diese Bildelemente als feine Grate oder Punkte überziehen. Von ausnehmend preziöser Erscheinung zeigt sich Maria selbst, mit ihren feingliedrigen Händen und einem Kopf mit hoher, gewölbter Stirn und vollen, vornehmtraurigen Gesichtszügen. Ein außergewöhnliches Merkmal stellen dabei die kräftig modellierten Inkarnate und deren metallischer, fast perlmutthafter Schimmer dar. Trotz aller Pracht werden Mutter und Kind – ohne Heiligenschein – wirklichkeitsnahe dargestellt. In der Plastizität der Figuren, der Differenzierung unterschiedlicher Materialien und dem Einschluss eines tiefen Landschaftsausblickes zeigt sich ihr Maler von den fundamentalen Neuerungen der altniederländischen Malerei beeinflusst, die im frühen 15. Jahrhundert eine neue, realitätsbezogene Bildsprache entwickelt hatte. Einige Bildelemente verweisen jedoch zumindest symbolisch auf fundamentale christliche Glaubensinhalte.

Durch in jüngster Zeit erfolgte naturwissenschaftliche Untersuchungen lässt sich untermauern, dass die Benda-Madonna wohl erst nach 1490 am Oberrhein entstanden sein muss. Das Gemälde wurde auf Brettern einer süddeutschen Eiche ausgeführt. Seine geringe Größe lässt darauf schließen, dass es für die Andacht im privaten Rahmen geschaffen wurde.
Ein Glücksfall für die Sammlungen des Kunsthistorischen Museums Gustav von Benda (1846–1932) stammte aus einer Kaufmannsfamilie in Prag. Etwa 1870 kam er nach Wien, wo er die Niederlassung der Firma „Waldek, Wagner und Benda“, Zulieferer unterschiedlichster technischer Bedarfsartikel für die österreichische Industrie, führte. Die Geschäfte waren einträglich und ermöglichten ihm ab etwa 1880 Kunst zu sammeln. Dabei war Benda darauf bedacht, Objekte verschiedenster Art und Sparten, aber durchwegs in hoher Qualität zu erwerben. Seine Sammlung galt damals als die bedeutendste bürgerliche Privatsammlung in Wien. Einen gewissen Schwerpunkt legte er dabei auf Skulptur und Plastik der italienischen Frührenaissance. Exemplarisch steht dafür auch das in der Ausstellung präsentierte bedeutende, Francesco di Giorgio Martini zugeschriebene Bronzerelief Maria mit Kind und drei Engeln.

Es war dem noblen Bürgersinn des alleinstehenden und kinderlosen Mäzens entsprungen, die Sammlung nach seinem Tod der Republik zu vermachen. In seinem Testament legte Gustav von Benda fest, dass der Großteil der Werke ans Kunsthistorische Museum gehen sollte. Sein Porzellan, Keramiken und die Möbel erhielt das damalige „Österreichische Museum für Kunst und Industrie“ in Wien (heute MAK – Museum für angewandte Kunst).

Zunächst geschlossen in der Neuen Burg aufgestellt, wurden Bendas Kunstschätze jedoch schon 1939 gegen seinen letzten Willen auf die einzelnen Abteilungen des Hauses verteilt. Zu diesem Entschluss trug sicher auch die Tatsache bei, dass Benda bis 1895 der jüdischen Gemeinde angehört hatte.

Nach der jüngst erfolgten aufwendigen Restaurierung wird die Benda-Madonna ergänzt von historischen Aufnahmen und anderen Werken nun für einige Monate wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Ansichtssache #27
Ein Meisterwerk und sein (fast) vergessener Sammler
Die sogenannte Benda-Madonna und das Legat Gustav von Bendas
Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie Saal XI
Bis 12. November 2023