Ein Festival für abenteuerliche Musik und Gedanken

Dunkle Lieder für dunkle Zeiten. Cool, jung, modern gibt sich das Festival "Desertshore" im Wiener Volkstheater, wo man schon von Außen merkt, dass es "ein unprätentiöser, offener und niedrigschwelliger Ort für alle sein" will, "... in einer permanenten, inhaltlichen wie ästhetischen Suchbewegung. Mit neuartigen Erzählweisen, besonderen künstlerischen Handschriften, diskursiven Formaten."

Als zweitägiges Festival wurde das gesamte, frisch renovierte Haus (2020, Dietrich/Untertrifaller) mit Konzerten, Talks und Performances bespielt, vom großen Theatersaal bis in die Dunkelkammer und die Rote Bar. Der Titel "Desertshore" wurde einer der wunderbarsten Platten der Künstlerin Nico (1970) entlehnt, die seltsamerweise nur Insidern bekannt ist, obwohl von John Cale produziert. Diesem Phänomen, dass künstlerisch extrem einflussreiche Werken mitunter der ihnen zustehende Ruhm verwehrt wird, widmete sich der Talk in der Roten Bar, zu dem Cristian Morin, Kurator des Festivals, der zwölf Jahre lang das Musikprogramm der Volksbühne Berlin leitete, unter anderen Anika auf das Podium bat. Es ging um Musik abseits der Zentren und medialen Aufmerksamkeit, die bei ihrem ursprünglichen Erscheinen wenig beachtet oder angefeindet wurde.

Anika, alias Annika Henderson, die britische, heute in Berlin lebende Sängerin, trat dann auch mit ihrer neuen Band im prächtigen Volkstheatersaal auf. Mit ihrer dunkeln, sinistren Stimme verweist sie direkt auf Nico. Es ist Musik zwischen Zerbrechlichkeit und Kraft, eine Mischung aus Psychedelic, Dub, Pop und Experiment. Davor vibrierte der Saal durch die Band aus Minsk, Dlina Volny, mit Sängerin Masha Zinevitch. David Lynchs Produzent Dean Hurley hat die Songs abgemischt, die Texte "tänzeln dabei auf dem schmalen Grat zwischen Schmerz und Euphorie", man sollte sie allerdings verstehen können. Dass die Textzeilen (wie in der Oper) mitgeliefert werden, ist beim Punk ja nicht üblich.

Ein Highlight am ersten Abend fand in der sogenannten Dunkelkammer statt: DISCOVERY ZONE presents "Cybernetica", eine Mischung aus Konzert und Story-telling. Mit Holografien und Interaktion mit einer virtuellen künstlichen Intelligenz, die sich über die Träume hermacht, um den Menschen selbst damit wieder glücklich zu machen. Die New Yorker Künstlerin JJ Weih agierte allein im Cyberspace – und das extrem mitreißend und beeindruckend.

Zola Jesus mit Streichquartett war zum Schluss wieder im Theatersaal angesagt. Zentrales Thema: die Ambivalenz von Verlust und Begehren. Sängerin Nika Roza Danilova – Zola Jesus – performt die Songs ihres neuen Albums "Arkhon" für ihre insgesamt nur zwei Europakonzerte in einer speziellen Version mit Streichquartett und im zweiten Teil selbst am Klavier. Dass sie auch Opernsängerin ist, stellte sie ebenfalls sehr eindrücklich unter Beweis. Die Zugabe widmete Zola Jesus der Ukraine, woher die Familie ihres Vaters stammt: "Dieser Krieg hat mir das Herz gebrochen", sagt sie, und will doch Hoffnung in einer kaputten Welt vermitteln.

DESERTSHORE
im Volkstheater Wien
Kuratiert von Christian Morin
Künstlerische Produktionsleitung Eva Luzia Preindl

Cybernetica, JJ Weihl
Dlina Volny, MashaZinevitch
Anika, Annika Henderson
Zola Jesus, Nika Roza Danilova, mit Streichquartett

Dont you miss the future, Videoinstallation, RubiesAndDiamonds