Ein Akt, eine Treppe hinabzumsteigen

Hank Schmidt in der Beek (*1978, lebt in Berlin) präsentiert in seiner ersten institutionellen Einzelausstellung im Kunstverein Hamburg mehr als 200 Collagen, für die er sich aus der visuellen Bibliothek der Modernen Kunst bedient. Bekannte Motive der Kunstgeschichte werden von ihm neu kombiniert und in völlig fremde Kontexte überführt. Es ist ein spielerischer Umgang mit den Klassikern der Modernen Kunst, der weniger eine Aneignung als vielmehr eine Art Karikatur darstellt.

Er reduziert die "Klassiker" der modernen Kunstgeschichte von Daniel Buren, Max Beckmann, Max Ernst, Man Ray oder Roy Lichtenstein auf genau die Essenz, die ihre Arbeiten auszeichnet. Dabei geht er mit diesen Bildern nicht behutsam um, er lässt sich von ihrer Bedeutsamkeit nicht einschüchtern. Vielmehr gibt er ihnen genau die Leichtigkeit und den Witz zurück, den sie ursprünglich besaßen. Bevor sie zu Ikonen der Kunstgeschichte aufgestiegen sind und ihnen diese historische Bedeutungslastigkeit auferlegt wurde.

Durch das Kombinieren verschiedener Bildebenen produziert er neue Bedeutungen, die sich durch eine unverwechselbare humorvolle Ästhetik auszeichnen. Wenn er z.B. in der Serie "Yves Tanguy im internationalen Kontext" Laurel und Hardy zusammen mit Arbeiten von Frank Stella, René Magritte oder Valie Export auftauchen lässt, sieht es fast so aus, als würden sich die beiden Filmfiguren "Dick und Doof" stimmig in diese Bilder einpassen. Sie parodieren die Arbeiten, indem sie Haltungen oder Gesten übernehmen, sich in den Bildarrangements verstecken oder Stirn runzelnd ihr Missverständnis zum Ausdruck bringen.

In der Serie "Ein Akt, eine Treppe hinabzusteigen" verweist er eindeutig auf das kubistische Werk von Marcel Duchamp. In der Version von Hank Schmidt in der Beek dagegen sieht man das Künstlerduo Gilbert und George in mehreren Szenen eine Treppe hinuntergehen. Der dazugehörige Vierzeiler eröffnet ein imaginiertes Gespräch der beiden über die Widrigkeiten des Treppensteigens. Und dieses natürlich nicht im geschliffenen Englisch, sondern im lautmalerischen Bayrisch, in dem fast alle Reime verfasst sind.

Sie fungieren als Hintergrundinfo zu seinen Collagen, sie ersetzen die fehlenden Titel und eröffnen den Arbeiten eine weitere Ebene. Die Gedichte von Hank Schmidt in der Beek erzählen eine kurze Geschichte – einen Schwank – und geben der Betrachtung automatisch eine bestimmt Richtung vor. Losgelöst von der kunsthistorischen Interpretation bieten sie eine einfache, vollkommen logisch erscheinende Erklärung für das Bildmotiv oder die Komposition. Beide Ebenen – sowohl die textliche als auch die visuelle – gehören eng zusammen, ergänzen und erweitern sich gegenseitig. Dieses Prinzip hat Hank Schmidt in der Beek bisher in vielen kleinen Publikationen angewandt. Im Rahmen der Ausstellung nun wird eine Auswahl dieser kombinierten "Collagen und Gedichte" innerhalb eines Künstlerbuches erscheinen.

Neben den Collagen entstehen aber auch immer wieder Arbeiten, die sich durch ihre kollaborative Praxis auszeichnen. Zusammen mit Niklas Schechinger, Daniel Dilger und Marc Oswald richtete er von 2002 bis 2003 die "ja!-Performance" aus: Ein Jahr lang lebten die vier Künstler in einer Wohnung, die komplett in dem Logo der Supermarktprodukte "ja!" gestaltet war. Das eingängige blau/weiße Logo befand sich als Tapete an den Wänden, auf ihrer Kleidung sowie auf allen Alltagsgegenständigen, die sie permanent umgaben. Es ist eine Persiflage auf das Alltagsleben in Form seiner Übertreibung. Die dadaistische Aktion dient keinem höheren Ziel, vielmehr steht der aktuelle Moment im Mittelpunkt. Die Flüchtigkeit oder bewusste Leugnung von Bedeutung ist vielen seiner Arbeiten eingeschrieben.

So ist es nur selbstverständlich, dass er im Jahr 2009 den Szpielman Award für ephemere Kunst für seine Arbeit "In den Zillertaler Alpen" erhielt. Darin sieht man ihn als klassischen Pleinairmaler mit der Staffelei vor dem romantischen Alpenpanorama. Auf die Leinwand aber malt er das Muster des Oberhemdes,
welches er gerade trägt.

Ein Akt, eine Treppe hinabzumsteigen
14. August bis 12. September 2010