Echoes of time - Klänge einer Zeit

3. August 2011 Rosemarie Schmitt
Bildteil

Das Klavier der Mutter oder die Geige des Vaters? Zunächst spielte sie beides, doch ziemlich schnell war klar, daß es die Geige sein sollte. Noch bevor Lisa zu musizieren begann, übte sie sich im Beobachten, und am liebsten beobachtete sie ihren Vater, wenn er seine kleinen Schüler mit ebensolchen Geigen unterrichtete. Eine Sechzehntel-Geige empfand sie viel persönlicher als ein Klavier, sagte sie. Möglicherweise hätte es Einfluß auf ihre Entscheidung gehabt, gäbe es ein Sechzehntel-Klavier. Doch gut ist es wie es ist!

Lisa Batiashvili wurde 1979 im georgischen Tiflis geboren. Zu jener Zeit galt es als etwas ganz Besonderes, eine "West-Platte" zu besitzen, und die Eltern waren stolze Besitzer von etwa 20 solcher Besonderheiten! Lisas Vater brachte diese heimlich im Laufe der Zeit von seinen Konzertreisen mit. Sie war etwa 12 Jahre alt, als sie mit ihren Eltern nach Deutschland übersiedelte. Georgien stand seinerzeit kurz vor einem Bürgerkrieg. Was sie mit nach Deutschland brachte, war nicht nur die besondere Westplattensammlung und ein außergewöhnliches musikalisches Potential, sondern es waren auch die Eindrücke und Erinnerungen ihrer Kindheit in Georgien. So widmet Lisa Batiashvili ihr Debütalbum "Echoes of time" bei Deutsche Grammophon (Universal-Music) Komponisten, deren künstlerische Existenz, und das musikalische Ergebnis eben derer, stark von den politischen Ereignissen ihres Heimatlandes beeinflußt wurden.

So überrascht die junge Künstlerin mit hinreißend sanften, wohlgelaunten Lauten eines lyrischen Walzers von Schostakowitsch in einer Bearbeitung für Orchester von Tamas Batiashvilli (Lisas Vater)! Überraschend, weil Schostakowitschs Kompositionen häufig lauteres Potential bergen und entfalten. So wurden etwa bei einer Aufführung seiner "Lady Macbeth" im Orchestergraben des Theaters in Münster satte 163 Dezibel gemessen! Gemäß der Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibration, liegen die Auslösewerte für das Treffen von Lärmschutzmaßnahmen bei Spitzenbelastungen bei 135 bis 137 (!) Dezibel. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin empfiehlt Ohrstöpsel.

Diese sind ganz sicher nicht notwendig, während sie Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 1 oder aber den erwähnten lyrischen Walzer auf der CD "Echoes of time" hören! Es sind ganz wundervolle Interpretationen, mit eher meditativem Charakter. Weswegen ganz besonders auch Gia Kantschelis – ein 1935 ebenfalls in Tiflis geborener Komponist – Werk mit dem Titel V&V, ganz besonders gut passt! Sphärisch, klangspielerisch und wie nicht von dieser Welt scheint seine Musik. Wenn wirklich alles seine Zeit hat, so ist es nun in der Tat Zeit, und zwar höchste, für Lisa Batiashvili und ihre "Echoes of time"!

"Ich könnte meine Musik mit weißem Licht vergleichen, in dem alle Farben enthalten sind. Nur ein Prisma kann diese Farben voneinander trennen und sichtbar machen, dieses Prisma könnte der Geist des Zuhörers sein." – so Arvo Pärt im Jahre 1999.

Seien Sie Zuhörer, hören und geniessen Sie sein "Spiegel im Spiegel"; sie werden verstehen, außer vielleicht, daß für den, zwar eindrucksvollen und signifikanten, nichtsdestotrotz jedoch sehr minimalistischen Klavierpart eine so herausragende Pianistin wie Hélène Grimaud herangezogen wurde. Auch in Rachmaninows "Vocalise op.34" bietet sich Grimaud kaum eine Gelegenheit, ihrem "wölfischen" Potential am Piano genüge zu tun.

Und doch bin ich der Überzeugung, daß Hélène Grimaud eine adäquate Wahl für die Geigerin Lisa Batiashvili ist, denn von dieser Künstlerin werden Sie vielleicht, ich jedoch ganz sicher, noch viel hören. Viel Gutes und viel Besonderes!

Besonders herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt