"Dornenfelder" von Hamid Reza Yousefi

28. Dezember 2012 admin
Bildteil

Der Klappentext: In dieser biographischen Skizze zeichnet der Philosoph Hamid Reza Yousefi sein bewegtes und bewegendes Leben nach. Er erzählt von seiner ersten Heimat Iran, seiner Kindheit, von den Umständen, die ihn zum Verlassen seines Landes bewegten und seinem Migrantenschicksal in Deutschland, das nach zahlreichen Wendungen in die Höhen und Tiefen des deutschen Wissenschaftsbetriebes führt.

Integration ist eine besondere Art, sich und die Anderen wahrzunehmen und zu erleben. Sie hat viele Facetten und benötigt viele Brücken. Dialogisches Denken und tolerantes Verhalten bilden das Wesen der Integration, dies interkulturell in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft. Hamid Reza Yousefi ist inzwischen Privatdozent für Interkulturelle Philosophie und Geschichte der Philosophie an der Universität Koblenz sowie Initiator und Leiter des Instituts zur Förderung der Interkulturalität in Trier. Er ist Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Fachbücher. Seine Arbeitsbereiche sind moderne Theorien der Toleranz, Kommunikation sowie Religionswissenschaft und Ethik.

Meine Gedanken zu dem Buch: Ich hielt es in Händen und dachte: "Oh je, das Buch eines Philosophen, eines Privatdozenten... Dr. Hamid Reza Yousefi. Zu seinen neuen Veröffentlichungen gehören "Interkulturalität und Geschichte": Perspektiven für eine globale Philosophie (2010) sowie Karl Jaspers "Grundbegriffe seines Denkens" (2011). Werde ich verstehen was er schreibt, ohne selbst Philosophie studiert zu haben?" Ich gestehe, ich hatte Zweifel, Zweifel, die sich bereits nach den ersten Zeilen in Luft auflösten, statt dessen Interesse und Leselust weckten. Fragen, die ich mich bisher nicht zu stellen wagte und solche, denen zu stellen, ich mich nicht wagte.

Fragen, von denen ich nicht einmal wußte, daß ich sie hatte, viele beantwortete mir Yousefi. Und er machte mir Mut in Zukunft diejenigen zu fragen, die es betrifft: Die Ausländer. Wir haben inzwischen eine so große Scheu, solch eine Distanz, so viele Vorurteile aufgebaut, daß es uns (ich sollte nicht uns und man schreiben, sondern ich!), also, daß es mir bereits nicht leicht über die Tastatur kommt, dieses Wort: Ausländer. Weshalb entscheiden sich Menschen dafür, ausgerechnet in Deutschland zu leben? Ausgerechnet? Oder der Menschen wegen? Welches Bild haben die Menschen in anderen Ländern von Deutschland? Sucht man nach Milch und Honig, - gar nach Worten? Was ist ihr erster Eindruck bei der Einreise? Sind und bleiben wir ein Land der Dichter und Denker, auch auf einen zweiten, einen dritten Blick? Wann ist Heimat – und wo? Deutsche Sprache, schwere Sprache? Heimweh? Familienbande? Was ist denn nun typisch Deutsch?

Nein, "Dornenfelder" ist kein verklärtes, sentimentales Buch über Ausländer in Deutschland! Yousefi belehrt nicht, klagt nicht wegen und nicht an! Er erzählt. Interessant, informativ, unterhaltsam, berührend. In seinem Falle ist es der Iran, doch der Autor spricht für viele Menschen, die hier leben ohne hier geboren zu sein. Im Jahre 1990 kam er nach Deutschland, beantragte Asyl, wurde im Durchgangslager wie ein Krimineller behandelt, weiter gekarrt, gelaufen, gesucht, "ersetzte irgendwann seinen Löffel durch die deutsche Gabel". Weshalb wurde er Philosoph, während sein Bekannter Bijan noch immer (ich vermute es) in Frankfurt sitzt, eine Menge Alkohol trinkt, in einer ghettoartigen Parallelgesellschaft lebt, seine deutschen Nachbarn kaum kennt. Bijan sagte: "Nein, nein, sie reden mit uns nicht, selbst dann nicht, wenn wir richtig auf die Pauke hauen. (...) Es ist nicht einfach, in dieser Gesellschaft zu bestehen, egal, was du machst. Ob du lieb oder böse bist. Du läufst so nebenher. (...) Dabei dachte ich, wir landen nun im Paradies. (...) so bist du hier letzten Endes der ungeliebte Ausländer, den man nicht ernst zu nehmen braucht. Das ist alles. (...)"

Wann und weshalb Hamid Reza Yousefi einen anderen Weg suchte, fand und ging, weshalb er Philosophie studierte, was Sokrates, Karl Jaspers, Adolf Kolping, und noch einige mehr, damit zu tun haben, was für Yousefi Toleranz und Integration bedeutet, all dies beschreibt er auf eine wundervolle Art und Weise. Und weil das Jahr sich dem Ende neigt, ein Jahr in dem ich viel las und schrieb, ist es an der Zeit für so manches Resümee: "Dornenfelder" ist mein Buch des Jahres 2012.

"Dass meine Freiheit die Freiheit des Anderen nicht verletzen darf, halte ich für unverzichtbar." (Hamid Reza Yousefi aus: "Dornenfelder")

Dornenfelder von Hamid Reza Yousefi
Broschiert: 225 Seiten
Verlag: Lau (September 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3941400375
Euro 12,95 (D)