Digital In & Out – Mixed Reality Anwendungen für das Museum der Zukunft

Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das der Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Vorarlberg (FHV – Vorarlberg University of Applied Sciences) mit dem Vorarlberg Museum umgesetzt hat, macht es möglich, in Bregenz das römische Theater oder das mächtige Forum Romanum zu bestaunen und dabei Geschichten zu hören, die vom Leben in der antiken Siedlung handeln. Oder von zuhause aus zu den prachtvollen Kirchen der Bregenzerwälder Barockbaumeister reisen und dabei die Lichtstimmung im Kirchenschiff erleben – von der Morgendämmerung bis zur Nacht.

Die Barockkirchen und die römischen Bauwerke in Bregenz erscheinen via Handy oder Tablet zum Greifen nah, wobei die immersiven Applikationen gekonnt digitale Medien mit lebhaftem Storytelling verbinden. Beim Rundgang durch Bregenz erzählt Lucrezia – eine fiktive Bewohnerin von Brigantium – über ihr Leben in der römischen Siedlung. Die Nutzer:innen können bei der Führung längst verschwundene Gebäude als 3D-Objekte im Augmented Reality Raum betrachten und hören von Lucrezia, wozu diese Bauten dienten und was Menschen dort umtrieb. Im Textteil der Applikation finden sich weitere Informationen: historische Aufnahmen der Ausgrabungsstätten sowie die dort geborgenen Artefakte.

Die Nutzer:innen orientieren sich anhand einer interaktiven Karte, in der die historischen Stätten verzeichnet sind. Wird ein Ort erreicht, schaltet sich die jeweilige Station frei. Die Inhalte wandern sogleich in den "Reisekoffer" und können fortan überall angesehen werden. Ein römischer Tempel lässt sich so auch mal im Klassenzimmer oder zuhause auf dem Küchentisch platzieren.

Rundang 2 – Die Bregenzerwälder Barockbaumeister

Die Wallfahrtskirche im deutschen Birnau, die Abteikirche von Ebersmünster im Elsass oder die Kirchen der Klöster St. Gallen und Einsiedeln in der Schweiz – die "Auer Zunft" aus dem Bregenzerwald errichtete im 17. und 18. Jahrhundert 800 Barockbauten im Bodenseeraum. Der Rundgang zu den Bregenzerwälder Barockbaumeistern kann aufgrund der großen Entfernungen ausschließlich im digitalen Raum erlebt werden. Muss aber nicht, denn auch hier verbindet sich die physische mit der digitalen Welt. Sie können mit einer Virtual Reality Brille eine barocke Kathedrale betreten und dabei erleben, wie sich die Lichtstimmung im Innenraum von Sonnenaufgang bis zur Nacht verändert. Ein 360-Grad-Video macht’s möglich. Die digital zugänglichen Bauwerke stammen vom Architekten und Baumeister Franz Beer (1660–1726) aus Au. Er ist es auch, der die Nutzer:innen auf dem Rundgang zu seinen Bauten, zu herausragenden Exponaten oder Museen begleitet. Franz Beer erzählt dabei von seinem Vater Michael Beer, dem Zunftgründer, von seiner Lehrzeit in Au, seinen Reisen und seinem Wirken in Konstanz.

Eine "digitale Barockbaumeister-Anwendung" findet sich auch im Vorarlberg Museum. In der Ausstellung "buchstäblich Vorarlberg" ist ein Modell der Barockkirche in Lachen bei Zürich zu sehen, genauer die Querschnitte der Kirche. Dieses Modell der Glaskünstlerin Anna Bertle ist der Türöffner zu einem Augmented Reality Raum, der die Dimensionen des Gotteshauses veranschaulicht. Wandpfeiler können via Tablet aus dem Kirchenmodell herausgezogen und auf Originalgröße ausgedehnt werden.

Forschung und Ergebnisse

Das Ziel des Projekts "Digital In & Out" war es, geschichtswissenschaftliche, didaktische und gestalterische Perspektiven zu kombinieren und zu testen, wie hilfreich immersive Medien bei der Geschichtsvermittlung sein können. Dafür wurden die beiden Rundgänge entwickelt und auf der Hosting-App i.appear implementiert. Die Evaluation des Barockbaumeister-Projekts wurde mit Besucher:innen des Vorarlberg Museums und des Barockbaumeister Museums sowie im Stadtraum durchgeführt. Das Brigantium-Projekt wurde mit zwei Schulklassen des BORG Schoren im Vorarlberg Museum und im Bregenzer Stadtraum getestet.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist: Durch immersive Applikationen nehmen die Lernmotivation und der Lernerfolg zu. Das ergab der Vergleich mit einer Testgruppe, die sich ohne immersive Erlebnisse mit Brigantium bzw. den Barockbaumeistern beschäftigt hat.

Die erhobenen Daten zeigen, dass sich jüngere und ältere Testpersonen gleichermaßen für multimediale, immersive Erfahrungswelten begeisterten. Besonders für ältere Menschen liegt ein Vorteil auf der Hand: Sie können historische Stätten mittels 360-Grad-Videos besuchen, die in der Realität mitunter schwer erreichbar sind. Der Umgang mit digitalen Medien will aber gelernt sein. Wie die digitale Kompetenz älterer Personen gestärkt werden könnte, soll ein Folgeprojekt zeigen.

Auch die Verbindung verschiedener Museen und Institutionen, visualisiert auf der interaktiven Karte der Hosting-App i.appear, wurde von den Nutzer:innen positiv hervorgehoben. Die Kulturlandschaft Vorarlbergs kann innerhalb einer solchen Applikation vernetzt erfasst werden und die einzelnen Museen und Kulturinstitutionen profitieren davon.

Für Museen bietet diese Technik viele Möglichkeiten: Ein wertvoller archäologischer Fund könnte beispielsweise in Beziehung zu seiner rekonstruierten Umwelt gesetzt werden.

"Digital In & Out" – Mixed Reality Anwendungen für das Museum der Zukunft
Kooperationspartner:innen:
Vorarlberg Museum
Fachbereich Gestaltung, FHV
Barockbaumeister Museum Au
Fachbereich Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften, Universität Konstanz