Die Zärtlichkeit des Tangos

11. Mai 2011 Rosemarie Schmitt
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Gehören auch Sie zu jenen, die es lieben Tango zu tanzen? Diesen Machtkampf der Geschlechter auf dem Parkett, dieses beherrschende, ans Brutale grenzende, ja fast gewaltsame Schieben des Partners über die Tanzfläche? Also, ich möchte das nicht! Ich mag den Tango-Rhythmus; sehr sogar, ich mochte ihn schon immer. Was hingegen mir noch nie gefiel, war die Darstellung der professionellen Tangotänzer.

Dabei ist Tanzen doch eine so wunderbare Sache. Sich als Paar "taktvoll" gemeinsam, freundlich, sanft und höflich, durchaus auch mal erotisch (wie bei vielen lateinamerikanischen Tänzen) sich auf dem Parkett zu bewegen. Aber doch nicht beim Tango! Oder etwa doch?

Gehören auch Sie zum "Club des gewaltfreien Tangos"? Dann kennen Sie sicherlich auch das "Raul Jaurena Trio" und ihr aktuelles Album "Tango Friends". Raul Jaurena zählt, und das behaupte ich ohne jeglichen Anflug von Übertreibung, zu den weltbesten Bandoneonspielern. Ich liebe das Bandoneon, das wohl typischste aller Tangoinstrumente. Ich liebe sein Klappern und Schnaufen, keineswegs jedoch das der Tänzer.

Im August sind es zwar bereits 70 Jahre her seit Raul Jaurena geboren wurde, doch vom Klappern und Schnaufen ist Jaurena selbst noch weit entfernt. Vor nunmehr 14 Jahren besuchte der junge, zu jener Zeit in New York studierende deutsche Musiker Veit Hübner ein Konzert von Raul Jaurena. Begeistert von dessen Spiel, lud er Jaurena kurzerhand (was übrigens nicht stimmt, denn Veit ist ein hervorragender, geschickter Bassist und seine Hände durchaus von normaler Größe) zu einer gemeinsamen Produktion von Veits damaligem Quartett "Tango Five" ein. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft! Wunderbar auch für viele Tangoliebhaber.

Seither haben sich Veit und seine Musiker auch mathematisch weiterentwickelt. Hieß das damalige Quartett (!) noch "Tango Five", so benannten die Musiker ihr heutiges Trio das "Raul Jaurena Trio". Und dies besteht in der Tat und korrekterweise aus genau 3 Musikern. Das sind Raul Jaurena, Veit Hübner und Bobbi Fischer. Bobbis "echter" Vorname lautet eigentlich Karl Albrecht, und da dieser eher an den Namen eines Musikers aus dem vergangenen Jahrhundert erinnert, entschied sich Fischer wohl für eine Namensänderung. Bobbi studierte, wie auch Veit, in Stuttgart und Karlsruhe. Der eine Jazz, Popular- und Filmmusik, der andere Orchestermusik und Jazz.

Und gründete ich eines Tages tatsächlich den "Club des gewaltfreien Tangos", so böte ich den Musikern des "Raul Jaurena Trios" ganz gewiß eine Ehrenmitgliedschaft an.

Freundschaftlicher als diese drei kann man mit Tango einfach nicht umgehen. Kennen Sie den "Tango de Salón"? Diese Stilrichtung des Tangos zeichnet sich sowohl durch die entschleunigte Geschwindigkeit der Musik, als auch durch die behutsame Eleganz der Tänzer aus. Eine für mich durchaus gesellschaftsfähige Form des Tangotanzes, im Vergleich zu dem professionell brutalen Bühnentango. Nun, so ähnlich behutsam gehen die "Tango Friends" mit dem Tango um. Und dabei spielen sie nicht nur Tangos, sondern auch Walzer, Candombes oder aber Milongas.

Der Titel "Palomita Blanca" beispielsweise, ist ein wundervoller, bezaubernder, lebensfroher "Musette-Tango" (diesen Begriff musste ich soeben erfinden, da es selbst in der deutschen Sprache noch immer Dinge ohne die dazugehörigen Worte gibt). Wenn Sie "Palomita Blanca" hören und sich zum Walzertakte wiegen, könnten Sie schwören, diese "Wiege" des Tangos stünde in Paris. Das "Raul Jaurena Trio" liebt ganz offensichtlich und hörbar, so wie ich, dieses Tangofeeling und trifft den Nerv des Tangos, auch beim Walzer.

Viele Interpreten treffen ihn nicht, den Nerv des Tangos, sonder vielmehr den meinen, was sich dadurch äußert, daß so ein "gewaltig" unharmonischer, hektischer Tango zunächst meinen Nerv schmerzlich trifft, um ihn mir anschließend zu rauben.

Diese CD "Tango Friends", die "Peregrina-Music" veröffentlichte (Vertrieb: INAKUSTIK), könnte ebensogut "Chilling-Tango" oder "Feeling the Tango" heißen. Wäre es ein Buch, so lautete ein passender Titel "Die neue Zärtlichkeit des Tangos" und gäbe es den "Club des gewaltfreien Tangos", dann hieße ich Sie dort herzlich willkommen, liebe Leser!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt