Die Motschmänner

18. Mai 2016 Rosemarie Schmitt
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Es ist der 306. Beitrag, den ich für kultur-online über eine CD schreibe. Dies tue ich, also schreiben, während ich die CD höre. Von wegen Multi und Tasking und Frau und so. Bei dieser Aufnahme habe ich das beim besten Willen nicht hinbekommen, also das mit Frau schon, aber mit dem Rest nicht. Die Klänge packten mich und nahmen mich mit auf die Reise in eine Welt fern des Schreibens und des klaren Denkens. Wie soll ich in dieser Welt, in diesem Zustand, einen anständigen Satz formulieren?! Langweilig? Von wegen! Verwegen! Diese Musik ist spannend, fesselnd und neu (wenn es mich auch an die Musik von Tangerine Dream erinnert, von denen kein Gründungsmitglied mehr lebt.). Also: erst hören (Mittwoch bis Samstag), dann schreiben (Sonntag).

Johannes Motschmann (1978) studierte Komposition, Klavier, elektronische Musik und Musiktheorie. Von 2002 bis 2006 war er Schüler von Wolfgang Rihm an der Karlsruher Musikhochschule, wo er Diplom und Konzertexamen ablegte. Anschließend absolvierte er ein Postgraduiertenstudium. Er hatte nicht etwa die Schnauze voll von der Paukerei und der Musik, und wechselte zur Post!

Ein postgraduales Studium ist ein Studium, das ein vorhergehendes erfolgreich abgeschlossenes Studium (in der Regel grundständiges Studium) voraussetzt. Ziel eines postgradualen Studiums ist in der Regel ein weiterer akademischer Grad, kann aber auch die Weiterbildung ohne weiteren akademischen Grad oder die Vorbereitung auf eine ergänzende Staatsprüfung sein. (kann man bei Wikipedia nachlesen)

"Electric Fields", (in der Reihe "Neue Meister" bei EDEL) erschienen, sind 9 Trios für Synthesizer/Klaviere, Multipercussion und Violine. Der erste Titel "Skywhite" war ursprünglich ein Duett für Violine und eine alte String-Machine von Yamaha! Eine String-Machine (auch Streicherkeyboard genannt) gehört zu der Gruppe von Tasteninstrumenten aus den 70er-Jahren, die den Klang eines Streichorchesters elektronisch nachahmt.

Der Titel "Rotor" wurde nach Motschmanns Lieblingskarussell auf dem Bremer Freimarkt benannt. Man wird durch die Drehung an die Wand gedrückt, bis man buchstäblich den Boden unter den Füßen verliert. (Trio aus Uchiwa-Daikos, Wurlitzer-Klavier und Moog-Bass!).

Sehen Sie hier das Video zur jüngsten Auskopplung "Rotor": www.youtube.com/watch?v=mczIqpUdd9U&feature=youtu.be

Das Video zu Rotor ist die zweite Zusammenarbeit von Arved Lindau und Johannes Motschmann und stellt wie in einem Kaleidoskop das Prinzip ständiger Rotationen auf allen denkbaren Ebenen aus. Ein ständig kreisender Prismafilter aus den 70er-Jahren ist bei sämtlichen Aufnahmen für das Video eingesetzt worden und vervielfacht die Bilder analog zu den Echoklängen des Wurlitzerklaviers und einer immer wieder neu startenden Nachtfahrt ins Nirgendwo. Wie Irrlichter kreisen die Melodien um ihre eigene Achse. Hinter den rauhen verzerrten Wurlitzerklängen und dem Bass der MS-20 sind es die repetitiven Muster von hierzulande selten zu hörenden Uchiwa Taikos, die alle Harmonien wie in einer Spirale umkreisen.

"Ich wollte eine Musik schaffen, die mechanisch und körperlich zugleich wirkt, und in der die Wurlitzerklänge so stark verzerrt sind, dass das Instrument fast schon wie ein Synthesizer wirkt - mit einem Klang, der in allen Registern Licht und Dunkelheit assoziieren lässt", so Motschmann.

Erfahren Sie noch mehr zum Album im EPK: www.youtube.com/watch?v=jnv1EpO28Jw&feature=youtu.be

Der Berliner Komponist Johannes Motschmann vereint in seinem elektro-akustischen Trioalbum "Electric Fields" zwei große Traditionslinien der deutschen Musikgeschichte: Klassik und elektronische Musik. Rau, melancholisch und dunkel ist der live gespielte Elektrosound seines Albums. Motschmann mischt Ambient-, Industrial- und Dronesounds mit Klangfeldern, die immer wieder Assoziationen zur klassischen Musik erzeugen. Die Rhythmen von "Electric Fields" sind minutiös als Notentexte entworfen und wurden von dem Trio im Studio live eingespielt. An der Seite Johannes Motschmanns stehen der Multipercussionist David Panzl und der Tonmeister Boris Bolles, der neben weiteren Synthesizerparts auch Violin-Melodien beisteuert. Die Motschmänner, quasi.

Klasse gemacht, Männer! Dafür gibt es von mir jede Menge MusiKüsse!

Herzlich,
Rosemarie Schmitt