Die letzten Tage der Menschheit

Für ihre erste große Museumspräsentation hat die österreichische Künstlerin Deborah Sengl eine raumgreifende Arbeit geschaffen, die Geschichte, Literatur und zeitgenössische Kunst auf außergewöhnliche Weise miteinander verbindet. Mit rund 200 präparierten weißen Ratten inszeniert sie "Die letzten Tage der Menschheit" nach Karl Kraus in 44 Einzelszenen.

Im Jahr 2014 jährt sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Wohl kein anderes literarisches Werk hat die Stimmung der damaligen Zeit und die Unmenschlichkeit und Absurdität des Krieges so komprimiert und präzise eingefangen wie "Die letzten Tage der Menschheit" (1915 – 1922) von Karl Kraus. Sengl reagiert in ihrem bisher größten Werk mit unverwechselbarem Gespür auf Kraus’ Text und interpretiert Szenenausschnitte und Dialoge künstlerisch neu.

Im Großen Saal des Essl Museums werden 200 weiße Ratten (Tierpräparate) in unterschiedlichen Posen, teils bekleidet und mit Accessoires versehen, zu 44 Gruppen arrangiert. Begleitet von Zeichnungen und Malereien lassen sie die Protagonisten von Kraus’ Werk lebendig werden. Deborah Sengl hat ein Jahr lang an diesem aufwendigen Projekt gearbeitet, das eigens für das Essl Museum entstanden ist. Als Vorlage dient ihr die Bühnenfassung von "Die letzten Tage der Menschheit".

Deborah Sengl arbeitet seit vielen Jahren eng mit einem Tierpräparator zusammen, der für sie die Rattenfelle anhand von genauen Vorgaben vorbereitete. Die Tiere wurden nicht für die künstlerische Arbeit getötet, es handelt sich um Futterratten, die für die Greifvogel- und Reptilienzucht gehalten werden. In akribischer Detailarbeit gestaltet Sengl Fahnen und Zeitungen, Möbel und andere Gegenstände wie Hüte oder Schmuck, um die Protagonisten lebendig und die einzelnen Szenen erkenn- und lesbar zu machen. Alle Ratten und Gegenstände sind weiß, nur das Rot des Blutes kommt als Farbe vor, und in Gestalt der schwarzen Ratte tritt Karl Kraus als Nörgler auf.

Deborah Sengl hat bei Christian Ludwig Attersee studiert. Sie lebt und arbeitet in Wien. In ihren Malereien, Zeichnungen und Skulpturen überträgt sie Fragen nach der Identität und Maskerade auf das Tierreich und hinterfragt das Rollenverhalten in der menschlichen Gesellschaft. Die Arbeit für das Essl Museum ist eine konsequente Weiterentwicklung dieses Themas. Sengl gelingt dabei eine künstlerisch mutige, neuartige Sicht dieses bedeutenden Werkes, das bis heute nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen der einzelnen Szenen und Szenenausschnitte, wie auch der Zeichnungen und Malereien. Der Katalog gibt auch Einblick in die Arbeit und das Atelier der Künstlerin, sodass der Entstehungsprozess der Werke nachvollziehbar wird. Daneben umfasst er den einleitenden Text aus Kraus’ Bühnenfassung, ein Vorwort von Karlheinz Essl, Aufsätze von Meinhard Rauchensteiner und David Schalko sowie ein Gespräch, das die Kuratoren Andreas Hoffer und Günther Oberhollenzer mit der Künstlerin geführt haben.

Die letzten Tage der Menschheit
31. Januar bis 25. Mai 2014
Eröffnung: Do 30. Januar 14, 19.30 Uhr