Die Ketten sprengen

Im Rahmen ihrer neuen Ausstellung in der Feldkircher Galerie Feurstein legt das Künstlerduo Christoph und Markus Getzner einen starken Akzent auf das dreidimensionale Schaffen. Das Brüderpaar ist bekannt für ihre in Eigenregie kunstvoll fabrizierten Vitrinen aus Beton, Holz und Glas, in denen sie ihre aus Papiermaché hergestellten und bemalten Requisiten der Vergänglichkeit wie Knochen, Werkzeugen, Kleidungsstücken, Figuren etc. zu teils absurden und schrägen Situationen arrangieren.

Neben einigen "offenen" skulpturalen Anordungen werden auch wieder solche Vitrinen-Arbeiten präsentiert. Und auch die Dachschräge des Galerienraumes soll diesmal ins Ausstellungskonzept mit einbeziehen werden. Der Umstand, dass die Galerie, die sich im obersten Geschoss des ehemaligen Johanniterklosters befindet, einem Kapellenraum ähnelt, scheint es den beiden besonders angetan zu haben.

Sowohl in den drei- wie auch in den zweidimensionalen Arbeiten der Getzners sind barocke Anklänge spürbar. Erkennbar werden diese im Rückgriff auf üppige Formen, in der Vermischung von sakralen und weltlichen Gegenständen, im Einbezug von Symbolen der Vergänglichkeit, - immer aber in Kombination mit Gegenständen aus der heutigen realen Welt. Auch die zeichnerische Konzentration auf die Umrisse und die Überzeichnung der figurativen Elemente in einem fast comichaften Stil verpasst den Arbeiten einen eigenwilligen, mitunter fast absurden Charakter.

Eine ultimativ morbide, schräge und auch melancholische Wirkung erzielen die Getzner in den Zeichnungen und Malerein durch die Verwendung von China-Tusche und Eitempera in allen möglichen Grauschattierungen. Farben wie Rot oder Blau oder Grün sind nicht existent. Während "Weiss" die Farbe des Lichts und damit die Summe aller Farben verkörpert, absorbiert "Schwarz" alles Licht. "Schwarz" ist ergo die Farbe des Nichts, des Ursprungs und des Endes. In diesem Spektrum zwischen Allem und Nichts spielt sich die "Bemalung" der Getzners also ab. Sie korrespondiert "farblich" respektive in ihrer "Nichtfarbigkeit" direkt mit den skulpturalen Materialien Beton, Gips, Papiermasché.

Ein besonderes Charakteristikum der Werke der Getzner ist, dass sie vielfach über "sprechende" Titel verfügen. Ursprünglich sollte die Ausstellung "Den Käfig der Vorbehalte sprengen und in Richtung Erkenntnis segeln!" heissen. Der neue Titel, "Zuerst die eigenen Ketten sprengen dann Leidensgenossen befreien", gefiel ihnen aber besser als der alte. In beiden Möglichkeiten ist aber angedeutet, um was es den Getzners geht: Zentraler Ausgangspunkt der Ereignisse in der Welt ist das Denken. Und zwar religionsneutral.

Ihre Kunst behandelt Dinge, die alle betreffen. Es geht um Gesetzmässigkeiten, um die Ausdeutung von Erfahrungen, aber auch um die Vergänglichkeit, den Zerfall. Wobei für die Getzners jede Zerstörung auch einen Neubeginn darstellt. In diesem Zusammenhang erscheinen auch andere Bildtitel in einem besonderen Licht: "In einem fort geht dieses Leben verloren", "Behausung für die Kürze des Daseins", "Von der Kürze der Dauer", "Trennung dessen was zusammenkommt".

Christoph Getzner, geboren 1960 in Feldkirch, absolvierte die Meisterklasse für Holz- und Steinbildhauerei in Graz und ist Mitglied der Dombauhütte zu St. Stephan in Wien. Markus Getzner, geboren 1965 in Bludenz, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Wien zunächst Malerei bei Arnulf Rainer, dann Bildhauerei bei Bruno Gironcoli. Er lebt als Mönch im tibetisch-buddhistischen Kloster Rabten Choeling in Le Mont-Pèlerin in der Schweiz. Für ihre Ausstellungsprojekte kommen sie jeweils für intensive Arbeitswochen in Wien zusammen und realisieren gemeinsam ihre geplanten Werke.

Zuerst die eigenen Ketten sprengen dann Leidensgenossen befreien
5. Oktober bis 23. November 2013