Die Inszenierung der Avantgarde

Wiens "wilde" Jahre aus der Sicht eines Szenefotografen: Christian Skrein war in den "Swinging Sixties" bei den Partys der neuen Geschmackselite dabei und fotografierte für Stern, Quick und Vogue. Der Film "Blow up" war Kult, nicht nur in London waren Fotografen die neuen Stars. Bereits mit 17 Jahren begann Skrein als Pressefotograf, seine Bilder der Beatles bei den Dreharbeiten zum Film "Help" in Obertauern gingen um die Welt.

Das Neueste kam damals aus London: Schocktaktik in der Popkultur, Minirock und Exzess, Diskotheken und Haschisch. Randländer des Westens wie Österreich wurden Teil einer neuen Lifestyle-Internationale. Nicht die Politik war Kampffeld, die Chiffre "1968" stand für ästhetische Provokation. Auch in Wien gab man sich betont anders – verspielt, kontra, elitär und arrogant. Der Schwerpunkt in einer Ausstellung im Wien Museum Karlsplatz bilden die provokanten Posen der Kunst-Avantgarde: Arnulf Rainer in Kriegsbemalung auf Walter Pichlers Stuhl "Galaxy 1", Christian Ludwig Attersee als Hippie-Popstar, "Skandaldichter" Oswald Wiener mit Hammer.

Auch die Modefotografie erlebte eine Revolution. Zeittypisch ist der Mix aus Science-Fiction und Hippie Look, Op-Art und Plastik-Fetisch. Skrein überschritt die Genregrenzen, öffnete ein Atelier in Mailand und verdiente bald sein Geld mit Werbefotografie. Sich selbst stilisierte er in Selbstporträts und Image-Postern als Popstar und "Markenzeichen", ehe er mit 25 Jahren das Fotografieren aufgab, um als Werbefilmer eine zweite Karriere zu starten. In der ersten großen Wiener Skrein-Ausstellung sind rund 130 Fotografien zu sehen – Hits und Raritäten aus "Swinging Vienna".

Als jugendlicher Autodidakt stellte sich Christian Skrein Anfang der 60er Jahre dem damaligen Zeitungsverleger und Herausgeber des Neuen Kurier, Ludwig Polsterer, vor. Mit einem Presseausweis und einer Rollei-Flex "bewaffnet", startete er als freier Fotograf und arbeitete bereits mit 18 Jahren für zahlreiche Zeitungen und Illustrierte. Er fotografierte für die österreichischen Tageszeitungen Bildexpress, Kurier, Presse und Neues Österreich sowie für deutsche Illustrierte.

Skrein kam in Kontakt zur Wiener Künstler-Avantgarde, die im Café Hawelka Hof hielt und deren legendäre Aktionen er dokumentierte. So etwa, als Arnulf Rainer mit schwarz bemaltem Gesicht und Zottelpelz den Stephansdom betrat – um kurz darauf verhaftet zu werden. Berühmt wurde die Fotosession zum "Wir nicht"-Plakat mit Christian Ludwig Attersee, Ernst Graf, Kurt Kalb, Walter Pichler, Ingrid Schuppan-Wiener, Dominik Steiger und Oswald Wiener. Sein Geld verdiente der Fotograf allerdings mit Werbefotografie für Agenturen und Kunden wie Pepsi-Cola oder Levi"s Jeans.

In den Modefotos von Christian Skrein begegnen einem die Sixties in Reinkultur – als eine Zeit des Umbruchs mit einer Vielzahl von Stilen: Futuristisch die Arrangements mit Mannequin Katarina Sarnitz (später Noever) für die Avantgarde-Boutique CM (entworfen von Hans Hollein). Hippie-Look in der gesellschaftsfähigen Luxus-Variante präsentiert vom Wiener Modell Angelika Schubert in der italienischen Vogue. Oder der "British Way of Life", in Szene gesetzt mit dem berühmten Mini-Cooper als Requisit. Skrein tüftelte an Inszenierungen, bevorzugte ungewöhnliche Locations und fotografierte – was damals in der Modefotografie neu war – mit Weitwinkel. Geschickt verstand er es, den eigenen Namen als "Trademark" einzusetzen: In der Ausstellung zu sehen sind zahlreiche "Skrein"-Plakate, die für Irritierungen sorgen und für sein Atelier Werbung machen sollten.

Heute ist Christian Skrein (der mittlerweile in der New Economy tätig ist) nicht nur als Fotograf bekannt, sondern auch als Sammler von anonymen Schnappschüssen. Sein Archiv von privaten Fotos gilt als eines der größten der Welt, eine Auswahl daraus präsentierte das MAK 2004 unter dem Titel "The Eye of the Century". Im Christian Brandstätter Verlag sind außerdem zwei Bände mit "Secret Snapshots" und "Anonymous Snapshots" erschienen. Zeitgleich mit der Ausstellung im Wien Museum Karlsplatz publiziert der Brandstätter-Verlag einen Skrein-Fotoband mit dem Titel "My Way", bereits 2001 erschienen ist das Buch "68. christian skrein. künstler, legenden, fotografien".


Late Sixties - Fotografien von Christian Skrein
28. Februar bis 11. Mai 2008
Eröffnung: Mi 27. Februar 08, 18.30 Uhr