Die Bedeutung der Brust - Darker, Lighter, Puffy, Flat

Die Kunsthalle Wien Museumsquartier präsentiert eine internationale Gruppenausstellung, die der Bedeutung der Brust in unseren Kulturen, Gesellschaften und Kunstgeschichten nachgeht. Die von Laura Amann kuratierte Schau versammelt Künstler:innen verschiedener Generationen mit neuen Auftragsarbeiten oder bereits vormals ausgestellten Werken, die sich alle auf die eine oder andere Weise mit der Brust, den durch sie hervorgerufenen Spannungen, ihrer Sinnlichkeit und Verspieltheit auseinandersetzen. Brüste – vor allem die von Frauen – sind in jedem Bereich unseres Lebens präsent: in Werbung, von Alltagsgesprächen bis hin zur Darstellung von Frauen in Filmen und Videospielen.

Wie der Titel der Ausstellung "Darker, Lighter, Puffy, Flat" andeutet, gibt es Brüste wie auch Brustwarzen in allen möglichen Formen und Farben: manche sind größer, manche kleiner, manche flacher, manche dunkler und manche heller. Für manche sind sie Grund zur Scham, andere zeigen sie stolz in der Öffentlichkeit. Ganz gleich, welche individuellen Erfahrungen wir mit ihnen machen: Wir alle haben Brüste.

Aber warum scheinen sie immer noch Gegenstand zahlreicher Skandale und Auseinandersetzungen zu sein? Wie kommt es, dass in einer Gesellschaft, in der so viele dringliche, vom Menschen verursachte humanitäre und ökologische Katastrophen verheerenden Ausmaßes zu bewältigen sind, eine nackte Brustwarze Algorithmen zum Stillstand bringen und Betrachtende in Aufruhr versetzen kann oder gar eines Gerichtsverfahrens für würdig befunden wird? Warum gilt es als unschicklich, wenn Frauen sich am Swimmingpool oben ohne zeigen? Warum ist es anstößig, in der Öffentlichkeit die Brust zu geben, oder gar – Achtung! – ein Tier zu stillen?

Warum ist es eine Nachrichtenmeldung wert, wenn jemand größere Brüste, kleinere Brüste oder gar keine Brüste haben möchte? Warum reden wir also immer noch über Brüste? Neben dieser übergeordneten Frage befasst sich "Darker, Lighter, Puffy, Flat" auch mit dem historischen – genauer gesagt dem kunsthistorischen – Blick auf Brüste. In jüngerer Zeit haben diese eine Transformation vom nährenden religiösen Symbol zum säkularisierten und sexualisierten Objekt erfahren: Brüste weisen eine bemerkenswerte Dualität auf, da sie symbolhaft sowohl für die nährende Rolle der Mutter als auch für den erotisierten weiblichen Körper stehen. Diese Dichotomie verleiht ihnen zudem großen Einfluss auf unsere Wahrnehmung gegenderter Körper.

Daher beleuchtet die Ausstellung drittens, wie radikale, queere und feministische Diskurse rund um operative Eingriffe wie Brustimplantate und -entfernungen auch stark von historischen Implikationen geprägt sind. In einer Welt, in der bestimmte Körper eigentlich nicht existieren sollten, ist ihre Sichtbarkeit ein Akt des Widerstands, aber auch der Exponierung. Die stolze Zurschaustellung von Brustwarzen und Brüsten in allen Formen, Größen und Farben ist ein Akt der Normalisierung, aber möglicherweise gleichzeitig auch der Sexualisierung oder Objektivierung.

Natürlich wurde in unserem immer noch vorherrschend binären System von Mann und Frau auch die männliche Brust unter die Lupe genommen, wenn auch nicht im selben Maß wie ihr oftmals voluminöseres Gegenstück. Der Druck auf Männer, ein bestimmtes Aussehen zu haben, hat dennoch genauso zugenommen. In einer Welt mit einem fluideren Verständnis von Gender, Rollenzuschreibungen und Körpern im Allgemeinen ergeben sich neue Möglichkeiten für die ehemals männliche Brust, sowohl als ernährend, emotional versorgend als auch als sinnliches, sexuelles Objekt zu gelten. Ähnlich verhält es sich mit der Bindung und Fürsorge der Arten untereinander (zum Beispiel durch Stillen), was unerhört, wenn nicht gar tabu zu sein scheint. Manchmal geht es dabei ums Überleben, manchmal um eine medizinische Notwendigkeit oder es hat eine religiöse Bedeutung, aber oft symbolisiert dies einfach die besondere Zuneigung und enge Verbindung zwischen Menschen und bestimmten anderen Arten.

Unsere Realität sieht so aus: Die (vorwiegend weibliche) Brust wurde immer wieder in einem Ausmaß objektiviert, sexualisiert und fetischisiert, das man aus heutiger Sicht leicht als reduktionistisch bezeichnen könnte, als entlarvend für patriarchale, heteronormative Herrschaftsnarrative – und letztlich einfach als lächerlich. Was wir uns also noch fragen könnten, in dieser Welt, in der Pornografie leicht zugänglich und das Versprechen von Lust käuflich zu sein scheint, ist: Was ist heutzutage überhaupt noch erotisch– oder was könnte erotisch werden?

"Darker, Lighter, Puffy, Flat" bietet keine eindeutige Antwort auf diese Fragen, sondern präsentiert eine Vielzahl von Werken, Praktiken und Stimmen, die das scheinbar unbeschwerte, sinnliche und etwas laszive Motiv der Brüste nutzen, um die relevanten – und gelegentlich auch düsteren und komplexen – Themen unserer Zeit zu adressieren, hin- und herschwankend an der Grenze zwischen Sinnlichkeit und Diskursivität.

Mit Nina Beier, Misleidys Castillo Pedroso, Lucia Dovičáková, VALIE EXPORT, Bruno Gironcoli, Elisa Giardina Papa, Andrea Éva Györi, Trulee Hall, Monia Ben Hamouda, Šejla Kamerić & Aleksandra Vajd, Maria Lassnig, Claudia Lomoschitz, Tala Madani, Sarah Margnetti, Radha May, Marlie Mul, OMARA Mara Oláh, Abdul Sharif Oluwafemi Baruwa, Laure Prouvost, Christina Ramberg, Adam Rzepecki, Toni Schmale, Maja Smrekar, Mariya Vasilyeva, Dorottya Vékony, Marianne Vlaschits und Rafał Zajko.

Darker, Lighter, Puffy, Flat
Bis 14. April 2024
Kuratorin: Laura Amann
Ort: Kunsthalle Wien Museumsquartier