Die Andovillewürstlin des Gargantua

8. Oktober 2012 Kurt Bracharz
Bildteil

Die französischen Bezeichnungen Andouille und Andouillette werden im Deutschen oft mit "Kuttelwurst" übersetzt. Kutteln sind aber Teile des Rindermagens, während die meisten Andouille-Sorten aus Schweinedarm bestehen, den man nur metaphorisch "Kutteln" nennen könnte. Die korrekte Bezeichnung wäre also "Gekrösewurst", allerdings ist das Wort "Gekröse" auch schon einigermaßen außer Gebrauch geraten.

Es gibt mehrere, im Namen meistens auf die Region Bezug nehmende Typen der französischen Gekrösewurst: Andouille de Troyes, Andouille de Jargeau, Andouille du Val-d’Ajol, Andouille de Guéméné, Andouille Rivalan-Quidu, Andouille de Vire, etc. Die angemessene Herstellung der Andouillette de Troyes überwacht die AAAAA (Association Amicale des Amateurs d’Andouillette Authentique).

In dem Band "Innereien" (1981) der "Time/Life"-Reihe "Die Kunst des Kochens" sind nicht nur mehrere Rezepte für "Gekrösewürste" angegeben (Lothringer Gekrösewurst, Andouillettes de Troyes, Gekrösewurst in Senfsauce, Gekrösewurst mit Sauerampferpüree), sondern zeigt auch eine Bildstrecke auf den Seiten 86/87 unter dem Titel "Wurst, die auf der Zunge zergeht" die Herstellung von "klassischen französischen andouillettes". Dafür solle man einen frischen Darm am Stück kaufen, damit er zum Aufwickeln lang genug ist. Die beiden letzten Meter, der Fettdarm, dienen als Hülle für die Fülle, den Hauptteil des Darms.

Der Darm wird der Länge nach aufgeschnitten, gewaschen und zwei Stunden in gesäuertem, mehrmals gewechseltem Wasser gewässert, anschließend das Fett ausgeschabt. Dann wird der Darm in Streifen geschnitten und diese zu Schlingenbündeln gewickelt, die in die Hülle gestopft und zu Würstchen abgebunden werden. Zuletzt heißt es: "Die Würste können in dünne Scheiben geschnitten kalt serviert werden; sie sind aber auch gegrillt oder gebraten sehr zu empfehlen, da die Haut dann knusprig braun ist." Für die Andouille Lorraine wird dem Schweinsgekröse in kleine Stücke geschnittenes Schweinsmesenterium im Verhältnis 4:1 sowie Speck beigemischt und mit Lorbeer, Basilikum und fines herbes aromatisiert, und die Andouillettes de Troyes werden aus (eventuell mariniertem) Kalbsgekröse zubereitet.

Erich Lissner berichtet in "Wurstologia oder Es geht um die Wurst", Frankfurt 1939, über deutsche "Andullien": "Eine Trierer und Moselländische Spezialität sind die Andullien, bei deren Aussprache der Ton auf dem A zu liegen hat. Schon Fischarts Gargantua kannte "Andowillewürstlin". Der Weinbauer Nikolaus Jacoby in Erden an der Mosel gab uns folgendes Rezept, das wir hier unverändert wiedergeben wollen. "Die Dickdärme eines Schweines werden vom "Kot" entleert, am besten in laufendem Wasser, mit einem Messer ganz sauber und hell geschabt, gewaschen und dann in einem steinernen Topf eingesalzen mit viel Pfeffer, Zwiebeln und sonstigem Gewürz. Zirka 14 Tage sollen diese gut beschwert liegen, dann werden die Därme übereinandergezogen, daß diese aussehen wie Würste und dann geräuchert. Bei der Sache ist Sauberkeit und gutes Gewürz die Haupttugend; aber viele Leute machen schon keine mehr, weil die Arbeit zu dreckig ist, zumal das Schaben der Därme. Der Name ist jedenfalls französisch und viele Leute mögen schon keine mehr wegen dem Geruch beim Kochen. Und ich glaube, ich wollt auch keine, denn es ist eine Sauarbeit, wenn die Andullien auch pikant schmecken.""

Bei der kalabrischen "Nduja steht der Apostroph für ein A, sodass die Verwandtschaft zur Andouille offensichtlich ist. Diese hellrote, streichfähige Wurst besteht aus Schweinefleisch und Schweineinnereien, reichlich mit Chili gewürzt. Die in der Cajun-Küche oft eingesetzte Andouille der US-Südstaaten wird üblicherweise nur aus Schweinefleisch ohne Innereien hergestellt. Der Ort LaPlace in Louisiana am Ufer des Mississippi nennt sich trotzdem selbstironisch "Andouille-Hauptstadt der Welt".