Deutscher Raumpionier Eckhard Schulze-Fielitz †

Der vor allem durch seine Raumstadt-Konzepte der späten 1950er und frühen 1960er Jahre zu großer Bedeutung gelangte deutsche Architekt Eckhard Schulze-Fielitz, der die letzten Jahre und Jahrzehnte in Bregenz lebte, ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 1. September in der Bodenseestadt gestorben. Viele Ideen der Raumstadt von Schulze-Fielitz, der am 24. Dezember 1929 als ältester Sohn des Bauingenieurs und Staatssekretärs Günther Schulze-Fielitz in Stettin zur Welt kam, flossen auch in das Wohnhausanlageprojekt "Achsiedlung" in Bregenz ein, das er zusammen mit Jakob Albrecht und Gunter Wratzfeld in den Jahren 1971 und 1972 entwickelte und das in den Folgejahren realisiert wurde. Der "deutsche Raumpionier" gilt heute als wichtigster deutscher Protagonist des Strukturalismus.

Schulze-Fielitz studierte von 1949 bis 1954 Architektur an der RWTH Aachen und der TH Karlsruhe. 1951 wurde er in Aachen Mitglied des Corps Marko-Guestphalia. 1955 gründete er in Essen eine Bürogemeinschaft mit Ulrich Schmidt von Altenstadt und Ernst von Rudloff. Gemeinsam realisierten sie u.a. von 1956 bis 1959 das Landeshaus Köln, das für Schulze-Fielitz gleichsam den Durchbruch als Architekt bedeutete. Dieser Bau stand noch ganz unter dem Eindruck der reduzierten Formensprache von Mies van der Rohe, dem damaligen Bezugspunkt von Schulze-Fielitz. Die ebenfalls ab 1956 erbaute Werksanlage der Phönix Elektrizitätsgesellschaft in Blomberg (heute Phoenix Contact) erweiterte Schulze-Fielitz mit Unterbrechungen bis in die 1980er Jahre.

Ab 1958/59 entwickelte der Stettiner sein Konzept der „Raumstrukturen“, das zunächst als systematische Ordnung des Raumes gedacht war und dessen Raumraster 1959/1960 die Basis unterschiedlicher Wettbewerbsentwürfe bildete: beim Wettbewerb für die Oper in Essen erhielt er 1959 einen Ankauf.
Die „Raumstrukturen“ wurden kurze Zeit später konzeptionell zur "Raumstadt" erweitert, die zu den frühen "Megastructure"-Projekten gezählt wird. „Raumstrukturen/Raumstadt“ wurden erstmals im Mai 1960 auf der Ausstellung „26 Architekten aus der Bundesrepublik“, dann im Dezember 1960 in der Essener Filiale der Galerie von de Loo öffentlich gezeigt.

1961 wurde Schulze-Fielitz Mitglied der „Groupe d'edude d'architecture mobile“ (GEAM) und kollaborierte 1962/63 mit dem französischen Architekten Yona Friedman bei dem Projekt einer „Brückenstadt“ über den Ärmelkanal. Für die 1960 bis 1963 erbaute Jakobuskirche in Düsseldorf-Eller erhielt er 1964 den ersten Deubau-Preis. 1962 errichtete er einen „Raumstadt-Pavillon“ auf der „Deubau-Messe“ in Essen, 1964 erarbeitete er Vorschläge für schwimmende Pavillons auf der Weltausstellung in Montreal.

Achsiedlung in Bregenz

Anfang der 1970er Jahre übersiedelte Eckhard Schulze-Fielitz nach Vorarlberg, wo er, wie erwähnt, mit den Architekten Albrecht + Wratzfeld u.a. die Siedlung "An der Ach" in Bregenz baute. Die Achsiedlung ist eine Satellitenstadt entlang der Bregenzer Ach und stellt bis heute eines der größten Siedlungsprojekte im Land Vorarlberg dar. Die Wohnhausanlage besteht aus rund 50 Häusern und hatte zur Zeit der Errichtung 839 Wohnungen. In der damaligen Ära Kreisky galt die Achsiedlung österreichweit als Vorzeigeprojekt für den städtischen Wohnungsbau. Die Anlage besteht aus schachbrettartig versetzten Mehrfamilienhäusern mit untereinander verbundenen Innenhöfen. Die Loggien sind tief und verglast. Die Stiegenhäuser sind großzügig ausgeführt. Bemerkenswert ist die Aluminumplastik „Kanon“ von Emil Gehrer aus dem Jahr 1977.

Das Bauvorhaben wurde seinerzeit durch die Vogewosi, gemeinsam mit der Buwog und der Wohngesellschaft der ÖBB umgesetzt und 1974 in Angriff genommen. Während des ersten Bauabschnittes wurden 13 Bauwerke mit 242 Wohneinheiten verwirklicht, sowie eine Tiefgarage mit 130 Autoabstellplätzen. Diese ersten Wohnungen wurden im Sommer 1976 an die Mieter vergeben. Mitte 1977 war der zweite Bauabschnitt bezugsfertig und der dritte Bauabschnitt war im Rohbau fertiggestellt. Daneben wurden ein Supermarkt und ein Kindergarten errichtet. Im Februar 1977 wurde die „Aktionsgemeinschaft Achsiedlung“, für Freizeitbeschäftigungen in der Achsiedlung gegründet. Der vierte Abschnitt war im September 1980 bezugsfertig. Mit dem fünften Bauabschnitt wurde das bisher größte Siedlungsprojekt Vorarlbergs im Herbst 1982 fertiggestellt. Im November 1995 wurde ein Siedlungsbüro eröffnet, das bei der Lösung von Problemen in der Siedlung helfen soll.

Im Anschluss an das Achsiedlungsprojekt, das Schulze-Fielitz als "gelandete Raumstadt" bezeichnete, wurde der Wohnungsbau auf systematisierter Entwurfsgrundlage, die sich maßgeblich aus den Raumstrukturen-Überlegungen speisten, zum Hauptbetätigungsfeld des Architekten.

Schulze-Fielitz unterhielt ab 1980 auch eine Bürogemeinschaft mit Peter Rodemeier in Köln. Der architektonische Nachlass wird im Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW an der Universität Dortmun verwahrt. 2005 wurde das Modell der Raumstadt, im Besitz des FRAC-Centre in Orelans in der Ausstellung „Archilab: Experiments in Architecture, Art and the City“ im Mori-Kunstmuseum in Tokio gezeigt.
Vor zehn Jahren lud das Kunsthaus Bregenz (KUB) mit Schulze-Fielitz und Yona Friedmann zwei der prominentesten Vertreter der städtebaulichen Avantgarde der 1960er-Jahre zu einer dialogischen Präsentation ihrer Arbeit in die KUB-Arena. Die Ausstellung führte eindrücklich vor Augen, wie die beiden Architekten anhand von städteplanerischen Modellen und umfangreichen theoretischen Abhandlungen nicht nur visionäre Lösungsansätze für Probleme des Städtebaus entwickelten, sondern gleichsam Grundlagen für eine neue Architekturphilosophie schufen.
(Quellen: Wikipedia, Kultur-Online, u.a.)