Der Tod ist dein Körper

"Stellen Sie sich vor, wie Ihr Körper stirbt (...) stellen Sie sich vor, wie jemand Ihnen die Lider über den Augen schließt", beginnt die Meditation über den Tod in Hannah Hurtzigs Videodyptichon "Das Milieu der Toten" (2013). Am Ende des Lebens ist der Mensch auf seinen Körper zurückgeworfen. Eine individuelle Auseinandersetzung mit körperlichem Verfall, Krankheit, Unfall, Sterben und dem Tod setzt bei vielen Menschen jedoch sehr spät oder gar nicht ein.

Dabei sind Sterben und Tod mittlerweile im gesellschaftlichen Diskurs immer präsenter: Fernsehfilme und Dokumentationen befassen sich vermehrt mit der Endlichkeit des Lebens, es werden öffentlich Debatten über Sterbehilfe und Organtransplantation geführt und Forschungsprojekte beschäftigen sich mit dem Wandel im Umgang mit dem toten Körper. Das Ende ist gewiss: Der menschliche Körper ist sterblich. Zwar hat sich ein Menschenleben im Laufe der Evolution verlängert, ein unendliches Leben war für den menschlichen Organismus bisher jedoch weder vorgesehen noch vorstellbar. Am Beginn des 21. Jahrhunderts steht nun der Körper wie wir ihn kennen vor einer radikalen Veränderung. Durch biotechnologische und medizinische Entwicklungen verliert er zunehmend an Verletzlichkeit. So können beispielsweise Zellen und DNA künstlich hergestellt und Organe ersetzt werden. Die Vision einer fast unendlichen Lebenszeit bis hin zur Unsterblichkeit ist in greifbarere Nähe gerückt. Möglicherweise wird der Mensch in Zukunft sogar keine Angst mehr davor haben zu sterben, sondern eher davor selbst entscheiden zu müssen ob er sterben möchte.

"Der Tod ist dein Körper" nähert sich dem Tod über den leblosen Körper. Die Ausstellung präsentiert Skulpturen, Installationen, Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Videos von 14 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, bei denen der tote Körper als Ausgangsmaterial verwendet wird oder als Projektionsfläche für Vorstellungen von Tod und Leben dient. Die Zugänge reichen dabei von künstlerisch-dokumentarischen Werken, in denen die mediale Darstellung des Leichnams in der Gesellschaft thematisiert wird (zum Beispiel bei Taryn Simon oder Hannah Hurtzig), über metaphorische Bildkonstruktionen, in denen das Verhältnis zwischen lebenden und toten Körpern verhandelt wird (Wangechi Mutu, Omer Fast oder Kaia Hugin), bis hin zum Einsatz des toten Körpers als Material für ein Kunstwerk (etwa bei Teresa Margolles, Thomas Rentmeister oder Berlinde De Bruyckere).

Die Werke verweisen auch auf jene Bereiche, in denen der Mensch zu Lebzeiten mit toten Körpern, mit leichenhaften Darstellungen oder mit Vorstellungen von Untoten konfrontiert wird. Dabei werden eine Reihe von virulenten Fragen aufgeworfen, zum Beispiel nach Konzepten von Lebendigkeit oder nach dem Umgang mit der Leiche, ihrer Behandlung und Verwendung. Ein eindrückliches Sinnbild über das Leben und Sterben findet Kaia Hugin in ihrer Arbeit "Motholic mobble part 3" (2009). In dem Video gräbt sich eine junge Frau durch die spiralförmigen Bewegungen ihres Körpers mit sicht- und hörbarer Anstrengung langsam in die Erde einer kargen Berglandschaft hinein.

Die Skulpturen von Berlinde De Bruyckere erinnern an das Werk eines Präparators. Aus Wachs, Epoxidharz, Farben und Tierhäuten bildet die Künstlerin Tiere oder menschliche Körperfragmente realistisch nach, die jedoch häufig durch Verstümmelungen oder starke Verrenkungen an ein gewaltsames Ende denken lassen. Ihre Skulpturen erzählen von Schmerzen und Qualen genauso wie von möglichen Metamorphosen eines Körpers und verweisen dabei zugleich auf die Methoden der Sichtbarmachung des Körperinneren. De Bruyckeres Werk nimmt häufig Bezug auf die Geschichte der Darstellung des Körpers, die geschult durch Anatomie und Leichenöffnungen Mensch- und Tierkörper Schicht für Schicht hat sichtbar werden lassen.

Die Videoarbeit "Looking Pretty for God (After G.W.)" (2008) von Omer Fast handelt von ästhetischen Normen, die sowohl den lebenden Körper (z.B. durch Schönheitsideale), als auch die Vorstellungen vom toten Körper bestimmen. Bestatter und Thanatologen berichten hier von ihrem Alltagsgeschäft und der Verschönerung von Toten. Als Maskenbildner löschen sie die Spuren von Krankheit und Leid aus den Gesichtszügen der Verstorbenen und erschaffen die Illusion vom friedlich Entschlafenen. Konterkarriert und entlarvt wird dieser "ästhetisierte Tod" durch einen Kameraschwenk vom Bestattungsraum zu einer Werbe-Session für Kindermode, bei der Kinder perfekt gestylt posieren und dabei den Text der interviewten Bestatter zu sprechen scheinen.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Expertenvorträgen, Podiumsdiskussionen und Performances, unterstützt vom interdisziplinären Forschungsprojekts "Tod und toter Körper. Transmortalität" (Aachen, Berlin, Marburg, Zürich), begleitet die Ausstellung.

Der Tod ist dein Körper
1. Mai bis 6. Juli 2014