Der König des Tafelvergnügens

23. September 2013 Kurt Bracharz
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Wie es bei uns, etwa am Bodensee, um den Aal steht, ist eine eher undurchsichtige Angelegenheit: Einerseits scheint er zu den Arten zu gehören, die im Unterschied zu Barsch und Felchen noch täglich problemlos gefischt werden können, andererseits müssen diese erwachsenen Aale doch auch einmal jene Glasaale gewesen sein, die früher auch bei uns als Konserven verkauft wurden, mittlerweile aber längst als stark gefährdet gelten.

Die Aale laichen nur in der Sargassosee, für einen europäischen Aal eine Entfernung von etwa 3500 Seemeilen. Kein Wunder, dass sie dort nach dem Ablaichen sterben. Die Larven werden binnen drei Jahren vom Golfstrom über den Atlantik verfrachtet, wobei sich die wie ein Weidenblatt geformten Larven bei einer Größe von ca. 7 cm in Glasaale umwandeln. Die nächste Entwicklungsstufe sind die hell gelbbraun gefärbten Jungaale, während die erwachsenen Süßwasseraale – auch Gelbaale genannt – eine dunkelbraune Oberseite und einen gelblichen Bauch haben. Die Weibchen können bis zu einem Meter groß werden. Bei den ins Meer abwandernden, sogenannten Blankaalen ist das Braungelb einer grausilbrigen Färbung gewichen.

Dass man heute beim Fischer einen frischen Aal bestellen und am nächsten Tag bekommen kann, mag auch damit zu tun haben, dass offenbar kaum jemand noch eine Verwendung für frischen Aal hat, während geräucherter Aal überall angeboten und offenbar so, in Stücke geschnitten und nicht mehr an den schlangenförmigen Fisch erinnernd, akzeptiert wird. Der frische Aal galt aber Jahrhunderte lang – von den Römern bis zum Ende des 19. Jahrhunderts – als eine echte Delikatesse, danach immerhin noch als gutes Fischgericht (Alfred Walterspiel urteilte: "Der Aal ist zwar kein sehr feiner Fisch, auch soll er schwer verdaulich sein, aber ein Könner wird aus ihm immer ein gutes Mittagsgericht herstellen."

Habs und Rosner waren im "Appetitlexikon" ein halbes Jahrhundert früher noch sehr vom Aal angetan: "Aal, allbekannter Süßwasserfisch von ungemein guter Lebensart, da er sich gerade zu der Zeit im Zenit der Schmackhaftigkeit bewegt, wo nicht bloß die Austern, sondern auch Wildbret und Geflügel uns im Stiche lassen (Juni bis August). Die Ägypter vergötterten ihn deshalb, die Römer errichteten ihm zu Ehren die noch heute gangbaren Fangschleusen am Gardasee, das Mittelalter feierte ihn als regem voluptatis (König des Tafelvergnügens), und auch die Neuzeit schätzt ihn so hoch, daß der Kaufpreis selbst in aalreichen Gegenden nur ausnahmsweise auf 1 Mark für das Kilo herabgeht. (...) Mit Provencer Öl geröstet, und zwar samt der Haut, die dabei knusperig wird wie die Schwarte des Spanferkels, bildet er ein Festessen."

Alexandre Dumas gibt in seinem "Wörterbuch des Kochkunst" gleich 13 Aalrezepte an, Walterspiel in "Meine Kunst in Küche und Restaurant" immerhin noch acht. In modernen Fischkochbüchern muss sich der Leser meistens mit weniger Varianten bescheiden – vorausgesetzt, der Aal kommt darin überhaupt vor.

Ein nicht nur wegen seiner Einfachheit interessantes Rezept ist "Bisato Sull’ara", hier zitiert nach "Fische und Meeresfrüchte" von Alan Davidson und Charlotte Knox, deutsche Version München 1991: "Gebackener Aal mit Lorbeerblättern. Ein Stück Aal von 750 g Gewicht säubern, häuten und in zwei Teile schneiden, die in eine rechteckige ofenfeste Form passen. Im Abstand von je 4 cm tiefe Einschnitte anbringen, den Fisch aber nicht durchschneiden. Den Boden der feuerfesten Form großzügig mit Lorbeerblättern bedecken, den Fisch darauflegen, salzen und pfeffern, mit etwas Wasser besprühen und mit Lorbeerblättern abdecken. Das Ganze bei 145 Grad Celsius (Gas Stufe 1) im Rohr 45 Minuten, oder bis der Aal gar ist, backen."

Eine noch simplere Art der Zubereitung von Aalen ist das Kochen in Salzwasser, bei Dumas als "Aal à al minute. Sie häuten einen Aal, schneiden ihn in Scheiben, kochen ihn mit Meersalz zehn oder fünfzehn Minuten lang, je nach seiner Dicke, und servieren ihn auf einer Platte mit einer heißen, mit Kretzer- oder Zitronensaft pikant zubereiteten Sauce à la maître d’hôtel. Der Aal wird mit gekochten oder gebratenen Kartoffeln umgeben und zu Mittag als Entrée serviert." ("Kretzer" ist bei Dumas der Saft saurer Weintrauben, die "Sauce à la maître d’hôtel" wird aus einem Velouté und Butter mit Petersilie und Estragon zubereitet.)