Decolonize München

Europas Stadtlandschaften sind geprägt von Spuren des Kolonialismus. Straßennamen erinnern bis heute an einst beanspruchte Gebiete, noch immer werden koloniale Akteure geehrt. Doch in den letzten Jahren engagieren sich mehr und mehr lokale Initiativen für eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Hinterlassenschaften.

Auch in München wird seit Jahren debattiert. Dies nimmt das Münchner Stadtmuseum zum Anlass, aus neuen Perspektiven auf Münchens koloniale Geschichte und Gegenwart zu blicken. Folgenden Fragestellungen möchte das Ausstellungsprojekt auf den Grund gehen: Wie haben sich Kolonialismus und Rassismus in Münchens Stadtbild eingeschrieben? Wie wird mit den Spuren der kolonialen Vergangenheit in der Stadt umgegangen? An welchen Orten verdichten sich postkoloniale Auseinandersetzungen? Was wird debattiert, was verdrängt und verschwiegen? Wer darf sprechen über die Globalgeschichte der Stadt? Wessen Geschichten werden gehört, wessen Lebensspuren wahrgenommen? Was bedeutet dekolonisieren heute?

Die beteiligungsorientierte Wanderausstellung "freedom roads!" thematisiert den langen Weg der ehemaligen deutschen "Schutzgebiete" in Afrika von der Kolonisierung über den Widerstand bis zu ihrer Befreiung. Dabei werden die in München gewürdigten Kolonialakteure kritisch unter die Lupe genommen, AfrikanerInnen im antikolonialen Widerstand sowie Schwarze Deutsche als alternative NamensgebeIinnen vorgestellt. "freedom roads!" fokussiert die Perspektiven der Kolonisierten, ihre Sichten auf das Gestern, Heute und Morgen. Die Ausstellung lädt das Publikum ein, sich am "Wachsen" der Ausstellung zu beteiligen.

Parallel zu "freedom roads!" beschäftigt sich "Spuren Blicke Stören" mit kolonialen Spuren in der Stadt und im Museum. Mit "dekolonisieren.münchen" werden koloniale Spuren und Leerstellen im Münchner Stadtraum beleuchtet. Anders als beispielsweise Hamburg mit dem Zugang zum Meer oder Berlin als Reichshauptstadt stand München nicht im Zentrum des kolonialen Geschehens. Dennoch hat sich der Kolonialismus tief in die Münchner Stadtgesellschaft eingeschrieben und diese dauerhaft geprägt.

Die Vielzahl an kolonialen Ablagerungen und Spuren, die sich auch heute noch im Münchner Stadtraum finden, macht die historische und gegenwärtige Präsenz post/kolonialer Realitäten deutlich. Gleichzeitig gibt es eine Reihe von Orten und Spuren, deren kolonialer Bezug sich heute nicht mehr oder nur sehr vermittelt erschließt. Diese Unsichtbarkeiten erzählen oft mehr über den gegenwärtigen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit als das vermeintlich Offensichtliche. Ihrer Geschichte nachzugehen, sie zu befragen nach den historischen Kontexten ihres Entstehens und Verblassens und die oft verschwiegene Gewalt, die sie repräsentieren, verändert den Blick auf die Stadt – und auch auf das Museum selbst.

Unter "dekolonisieren.museum" wird das Münchner Stadtmuseum als Ausstellungsort einerseits und kulturelles Gedächtnis der Stadt andererseits Teil der Auseinandersetzung. Anhand von ausgewählten Exponaten aus dem Museumsbestand werden Fragen nach der Herkunft der Objekte sowie zeitgemäßer Repräsentation gestellt.

Die Installation von Georges Adéagbo aus Benin zeigt eine dekolonisierende Perspektive auf den Umgang mit Objekten. Georges Adéagbo, einer der bekanntesten Künstler Afrikas, wurde durch seine Teilnahme an der von Okwui Enwezor geleiteten documenta 11 in Kassel (2002) auch in Europa bekannt. Er sieht sich als Archäologe, der Dinge sammelt, in einen neuen Zusammenhang bringt und gängige Sichtweisen aufbricht. Mit seinen Arrangements aus Gegenständen ganz unterschiedlicher Herkunft und durch ihre Vernetzung mit Objekten aus dem Alltagsleben des jeweiligen Ausstellungsortes verwickelt er die BetrachterInnen in eine beständige Hinterfragung des vermeintlich "Eigenen" und des vermeintlich "Fremden".

Decolonize München
freedom roads! | Spuren Blicke Stören | Georges Adéagbo
25. Oktober 2013 bis 23. Februar 2014