David Hockney und die Perspektive

Die Retrospektive im Kunstmuseum Luzern ist die erste umfassende Ausstellung des Künstlers in der Schweiz und vereint über 120 Arbeiten: Malereien, Zeichnungen, Druckgrafiken und digitale Arbeiten von 1954 bis heute. Von seinen Anfängen als Kunststudent in London bis hin zu seinen neuesten iPad-Zeichnungen zeigt sie Hockneys Freude am künstlerischen Experiment und seine lebenslange Faszination für die Perspektive.

Mit der Ausstellung setzt das Kunstmuseum Luzern seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Tate Gallery fort. Zu sehen sind zudem bedeutende Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen in Europa und Nordamerika. Im Herzen der Ausstellung stehen zwei riesige Landschaftsgemälde. "Bigger Trees Near Warter Or / Ou Peinture Sur Le Motif Pour Le Nouvel Age Post-Photographique" (Sammlung Tate) ist Hockneys grösstes Gemälde und misst über 12 Meter. Auf 50 einzelnen Leinwänden zeigt es eine Ansicht seiner Heimat Yorkshire kurz vor Frühlingsbeginn. Während Wochen fährt der Künstler zwischen dem Atelier und dem Waldstück hin und her und bearbeitet jeweils sechs bis zehn Leinwände gleichzeitig. Um den Überblick zu behalten, fügt David Hockney die Bilder am Computer zusammen. "The Arrival of Spring in Woldgate, East Yorkshire, in 2011 (twenty eleven)" (Sammlung Centre Pompidou), ebenfalls eine mehrteilige Landschaftsansicht zeigt einen zauberhaften Wald, der das Publikum mit bunten Blättern und Rankengewächsen empfängt. Die beschwingte Darstellung erinnert an Comics und nimmt Hockneys spätere iPad-Zeichnungen vorweg, die als Videoanimation präsentiert werden. Zu sehen sind auch Hockneys ikonische Poolbilder, seine Porträts von Freund:innen und Familie, darunter das berühmte Elternporträt "My Parents" , sowie zwei frühe Serien mit Radier-ungen: "A Rake's Progress" (Der Werdegang eines Wüstlings), inspiriert von William Hogarth, und "Illustrations for Fourteen Poems from C.P. Cavafy, deren Veröffentlichung mit der Entkriminalisierung der Homosexualität in Grossbritannien zusammenfällt.

David Hockneys Fokus steht selten still: Er probiert stets neue Stile aus und fordert unsere Sehgewohnheiten heraus. In Anlehnung an Picassos Kubismus verwandelt sich der Laubengang des Hotels Acatlán in Mexico in eine verschachtelte Ansicht, in der gleichzeitig verschiedene Fluchtpunkte anvisiert werden. Mit "The Perspective Lesson" macht David Hockney ein Statement gegen die Zentralperspektive: Er stellt einen Stuhl in "falscher" Perspektive dar, also mit dem Fluchtpunkt vor dem Objekt. Dahinter ist ein "korrekt" dargestellter Stuhl mit einem roten Kreuz durchgestrichen. Auch mit der Atelieransicht "In the Studio, December 2017" trickst Hockney das perspektivische Sehen aus. Das Werk ist nicht einfach eine Fotografie, sondern wie er sagt, eine "fotografische Zeichnung": Das Bild setzt sich aus 3000 digitalen Fotografien zusammen. Durch die minimale Verschiebung des Fokus entsteht ein zeichnerischer Effekt, der die Umrisse weich erscheinen lässt. Passend dazu sagt der Künstler: "Die meisten Menschen glauben, dass die Welt aussieht wie das Foto von ihr. Ich habe immer unterstellt, dass das Foto fast Recht hat."

David Hockney - Moving Focus
kuratiert von Fanni Fetzer und Helen Little
Bis 30. Oktober 2022