Das Kanapee - Über ein biedermeierliches Ruhemöbel im Bregenzerwald

In einigen Bregenzerwälder Stuben stehen Kanapees aus der Biedermeierzeit, deren Eleganz auch heute noch beeindruckt. Material, Konstruktionsweise und Formensprache sind typisch für das bürgerliche Möbeldesign des frühen 19. Jahrhunderts. Anhand von restaurierten Originalsofas aus der Werkstatt von Johannes Mohr zeigt die Ausstellung die Formenvielfalt dieser Sitz- und Liegemöbel und gibt Einblicke in die Wohnkultur.

Im Atrium des Vorarlberg Museums stehen neun charakteristische Kanapees aus der Biedermeierzeit, die Bregenzerwälder Handwerksbetriebe nach historischen Techniken sorgfältig restauriert haben. Möbel im „Look“ der Biedermeierzeit sind im frühen 19. Jahrhundert auch im damals entlegenen Bregenzerwald der letzte Schrei. Die neue Mode bringen heimkehrende Wanderhandwerker und Käse-Exporteure aus Frankreich, Mailand oder Wien mit ins Tal, auch Beamte der österreichischen Monarchie und gebildete Berufsgruppen verbreiten den bürgerlichen Lebensstil.

Ab 1780 ermöglichen technische Entwicklungen und ein besseres Einkommen durch die aufkommende Stickerei eine neue Wohnkultur. Der sichtbare Strickbau des stattlichen Bregenzerwälderhauses wird innen mit Zeitungspapier gedämmt und schönem Täfer überdeckt, die Außenfassade ab 1815 geschindelt. Die Wohnstube wird zu einem Repräsentationsraum, der einer strengen Einrichtungsordnung unterliegt: dem Ofen in der inneren Stubenecke zum Beispiel steht der Herrgottswinkel mit Eckbank und Tisch in der äußeren Ecke gegenüber. Während in bürgerlichen Kreisen ein Zimmer oder gar die ganze Wohnung biedermeierlich eingerichtet wird, steht im Bregenzerwald das Kanapee als Einzelmöbel in der Stube. Dies kann als Weiterentwicklung oder Ersatz der „Gutsche“ gesehen werden. Aus dem wandhängenden horizontalen Brett mit einer Laubsackauflage, dem „Loabar“, wird ein freistehendes Möbel mit gepolsterter Sitzfläche, ein Ausdruck von Reichtum, Luxus und modernem Lebensstil.

Hergestellt wurden die Kanapees im Bregenzerwald, vermutlich von Bauern im Nebenerwerb, die individuell Formen aus den handwerklichen Gegebenheiten entwickelten. Dem Kanapee liegt ein einfaches Gestaltungsprinzip zugrunde: Das elegante Möbel besteht aus einem Rahmen für die Sitzfläche, einer Rücken- und zwei Seitenlehnen sowie vier bis sechs Beinen. Gelegentlich werden gedrechselte Elemente hinzugefügt. Das vorherrschende Material sind einheimische Hölzer – Ulme, Esche, Nussbaum, Kirschbaum – und ein Dekorationsmotiv taucht immer wieder in verschiedensten Varianten auf: die Lyra, das antike Saiteninstrument, die über den Klassizismus Einzug ins Biedermeier hielt.

Die Ausstellung zeigt Fotos aus der großartigen Stoffmustersammlung des Museums für angewandte Kunst in Wien, die zwischen 1808 und 1854 zusammengetragen wurde. Was dabei überrascht, sind die bunten und variationsreichen Möbelbezugsstoffe: knallige Seidenstoffe, klein gemusterte Baumwolldrucke, Webstoffe mit üppigen floralen Motiven. Gemeinhin wird mit Biedermeier eher ein zart geblümter Stoff in dezenter Farbgebung verbunden. Dieser Typus wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Biedermeierstoff gehandelt.

Das Biedermeier entwickelt sich zwischen 1815 und 1848 zu einem bürgerlichen Wohn- und Einrichtungsstil. Er entspringt dem Bedürfnis, sich in die häusliche Privatheit zurückzuziehen. Die politische Unsicherheit nach den langen napoleonischen Kriegen und ein strenges Polizeisystem mit Bespitzelung, Überwachung und Zensur schränken das öffentliche Leben ein.
Biedermeiermöbel sind auf den alltäglichen Gebrauch hin geschnitten, nützlich und bequem. Aus Gründen der Sparsamkeit wird lokal verfügbares Material verwendet – „einfache Möbel“, denen die Ästhetik des Klassizismus zugrunde liegt.

Die Ausstellung „Das Kanapee .... ist mein Vergnügen“, titelgebend ist ein gleichnamiges Volkslied, gibt Einblicke in die Wohnkultur des Bregenzerwaldes und in Handwerkstechniken, die heute kaum jemand mehr beherrscht.

„Das Kanapee .... ist mein Vergnügen“
Über ein biedermeierliches Ruhemöbel im Bregenzerwald
11. November 2023 bis 4. Februar 2024
Eintritt frei

Veranstaltung: Handwerk im Gespräch
Am Samstag, 11. November, führen um 14.00 und um 16.00 Uhr die Architektin Heike Schlauch, Polstermeister Johannes Mohr, Edgar Waldner, Experte für Möbelrestaurierung und Kuratorin Theresia Anwander durch die Ausstellung und stehen für Gespräche zur Verfügung. Der Eintritt ist frei.