"Cinema Italiano 2013" – Fünf neue Filme aus Italien in den deutschschweizer Kinos

21. Oktober 2013 Walter Gasperi
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Bereits zum fünften Mal hat Cinelibre in Zusammenarbeit mit dem Verein Made in Italy eine Reihe mit fünf neuen italienischen Filmen zusammengestellt, die im deutschsprachigen Raum keinen offiziellen Verleiher gefunden haben. Bis Januar 2014 sind diese Spielfilme in italienischer Originalfassung mit deutschen Untertiteln in den Programmkinos und Filmklubs zwölf deutschschweizer Städte zu sehen.

Auch der Umstand, dass heuer der Goldene Löwe des Filmfestivals Venedig an Gianfranco Rosis Dokumentarfilm "Sacro GRA" ging und dass letztes Jahr bei der Berlinale die Brüder Taviani für "Cesare deve morire" mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurden, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die großen Zeiten des italienischen Kinos längst vorüber sind. Grandios mögen die Filme von Paolo Sorrentino – zuletzt "La Grande Bellezza" - sein, auch Matteo Garrone legte zumindest mit "Gomorrha" einen starken Film vor, doch stehen diese Meister ziemlich allein auf weiter Flur.

Verglüht sind die Sterne von Nanni Moretti und Gianni Amelio, Giuseppe Tornatore und Emanuele Crialese haben in ihren letzten Werken nie mehr die Qualität ihrer frühen Filme erreicht. Dass unter den über 100 Produktionen, die jährlich auf der Appeninenhalbinsel entstehen, dennoch beachtliche Filme sind, zeigen aber die fünf Filme des "Cinema Italiano".

Kein Unbekannter ist hierzulande seit "Das ganze Leben liegt vor dir" Paolo Virzi. In "Tutti i santi giorni" erzählt der aus Livorno stammende Regisseur von einem Paar um die 30. Während Guido als Nachtportier in einem Hotel arbeitet, weil er sich bei diesem Job oft in seine antiken und frühchristlichen Bücher vertiefen kann, ist Antonia bei einem Autoverleih angestellt.

Sechs Jahre sind sie schon zusammen, doch obwohl sie nicht verhüten, sind sie im Gegensatz zu allen Nachbarn und Verwandten noch kinderlos. So rückt der Kinderwunsch immer stärker in den Mittelpunkt. Zunächst lässt Guido seine Spermien testen, dann suchen sie einen Gynäkologen auf, nehmen an einer esoterischen Therapie auf dem Land teil und entschließen sich schließlich für eine künstliche Befruchtung.

Kälte mag die herbst- und winterliche Stimmung ausstrahlen, doch im Kontrast dazu steht die Wärme, die sich das Paar gegenseitig gibt. Mit viel Einfühlungsvermögen und Liebe blickt Virzi auf seine Protagonisten und ihre große Sorge, entwickelt witzige Begegnungen, führt recht schräge Figuren ein und bewahrt trotz der Erdung in einem realistisch eingefangenen Alltag große Leichtigkeit.

Ans Herz wächst einem dieses Paar nicht nur, weil Luca Marinelli und die italienische Popsängerin Thony (bürgerlich: Federica Victoria Caiozza) wunderbar harmonieren, sondern auch weil Virzi bei dieser bittersüßen Liebeskomödie sicher die Balance zwischen Nähe zum Leben und märchenhaften Momenten, zwischen Lachen und Weinen hält.

Das Drehbuch zu "Tutti i santi giorni" schrieb Virzi zusammen mit Simone Lenzi und Francesco Bruni, der auch mit seinem Regiedebüt "Scialla!" bei dieser Filmreihe vertreten ist. Mit Virzis Film verbindet diese Komödie nicht nur, dass auch sie in Rom spielt und auch hier die antike Literatur eine gewichtige Rolle spielt, sondern dass ebenfalls von Problemen des Alltags und dem Meistern des Lebens erzählt wird.

An die Stelle der Paarbeziehung tritt in "Scialla!" aber eine Vater-Sohnbeziehung, wobei der Sohn freilich lange nicht weiß, dass er es mit seinem Vater zu tun hat. Auch Bruno, der einst Lehrer war und jetzt als Ghostwriter für Biographien von Berühmtheiten arbeiten, erfährt dies überraschend. Denn als die Mutter des 15-jährigen Luca einen sechsmonatigen Arbeitsaufenthalt in Afrika antritt, erklärt sie Bruno, der Luca Nachhilfestunden in Latein gibt, dass er der Vater sei und sich nun für die Zeit ihrer Abwesenheit um den Teenager kümmern soll, ohne dabei seine Identität preiszugeben.

"Scialla" heißt locker und so ein lockeres Leben führt auch Luca, zieht lieber mit seinen Freunden durch die Stadt als in die Schule zu gehen. Lässt Bruno den Teenager zunächst gewähren, so beginnt er nach einem Gespräch mit der Lehrerin seine Erziehungsaufgaben wahrzunehmen und wie sich der Vater wandelt, so verändert sich langsam auch der Sohn.

Passend zum Titel und Lucas Lebensweise ist das auch sehr locker erzählt. Im Gegensatz zum winterlichen "Tutti i santi giorni" taucht Bruni seine Komödie ins warme Licht und die Farben des Sommers, schafft mit viel Hip-Hop-Musik eine leichte Stimmung. Wie Virzis Film wird auch dieser von zwei frischen Hauptdarstellern und dem liebevoll-warmherzigen Blick auf die Figuren getragen und entwickelt sich zum leichthändigen und charmanten Plädoyer für Menschlichkeit und respektvollen und verständnisvollen Umgang miteinander.

Die Farben beinahe gänzlich ausgetrieben hat dagegen Giulano Montaldo seinem in Turin spielenden Drama "L´Industriale". In bestechenden, fast auf Schwarzweiß reduzierten Bildern erzählt der Altmeister, der in den 70er Jahren den legendären "Sacco und Vanzetti" drehte, von einem Industriellen, dessen Familienbetrieb am Rande des Bankrotts steht. Die Banken verweigern einen weiteren Kredit, die Arbeiter sind verunsichert und höchst ungewiss ist, ob ein deutscher Investor einsteigen wird.

Das ist zwar gut gespielt und durchaus überzeugend zeigt Montaldo zunächst, wie sich die beruflichen Probleme auf das Privatleben auswirken und die Ehe des Industriellen belasten. Viel an Glaubwürdigkeit verliert "L´Industriale" aber und wird zur Kolportage, wenn die wirtschaftliche Ebene ganz in den Hintergrund und zunehmend ein Eifersuchtsdrama in den Vordergrund rückt.

Eine Frau steht dagegen im Mittelpunkt von "Il mio domani". In der Nachfolge von Michelangelo Antonioni erzählt Marina Spada darin von einer 45-jährigen Mailänder Geschäftsfrau, die durch den Tod des Vaters und das Ende einer Liebesbeziehung in eine tiefe persönliche Krise stürzt und beginnen muss ihre Identität neu zu entdecken.

Leichtere Töne schlägt der Komiker Rocco Papaleo in seinem Debüt "Basilicata Coast to Coast" an. Im Mittelpunkt dieses Roadmovies stehen vier Freunde, die einst in einer Schulband zusammen spielten und nun beschließen am Musikfestival von Scanzano Ionico teilzunehmen. Anreisen wollen sie aber nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß. So machen sie sich in diesem mit dem David di Donatello in der Kategorie beste Nachwuchsregie ausgezeichneten Film mit einem weißen Pferd, das den Wagen mit den Instrumenten und Zelten zieht, auf eine zehntägige Wanderung quer durch die Basilicata. Entstanden ist so nicht nur eine filmische Erkundung einer touristisch wenig erschlossenen Region, sondern auch eine Hymne auf die Freundschaft.