Chorakademie Vorarlberg: Bruckner gar nicht "light" und dazu ein überschwängliches Gloria

30. Januar 2024 Martina Pfeifer Steiner —
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Anton Bruckner in diesem Gedenkjahr seines 200. Geburtstags zu feiern ist naheliegend, Markus Landerer wählte für das jährliche Chorkonzert-Ereignis in Feldkirch für seine Chorakademie Vorarlberg die höchst anspruchsvolle e-moll Messe aus – anspruchsvoll nicht nur für die Sängerinnen und Sänger, auch die Zuhörenden sind gefordert. Dramaturgisch geschickt wird jedoch das schillernde Gloria des englischen zeitgenössischen Komponisten John Rutter als berauschendes Überraschungsmoment an den Anfang gestellt. Und dass Markus Landerer dann zum Mikrophon greift, ist für das Konzerterlebnis überaus bereichernd!

Der Domkapellmeister zu St. Stephan in Wien – mit diesem Projektchor noch immer dem Ländle verbunden – leistet seit Jahrzehnten wertvolle Vermittlungsarbeit. Nicht nur dass er dem Publikum die großen Werke der Chormusik in hervorragender Interpretation zugänglich macht, er schafft vor allem auch für die Chorsängerinnen und -sänger der Region die Gelegenheit, sich mit solchen Hochkarätern tiefgründig auseinanderzusetzen. Da verwundert das riesige Engagement der hundert Chormitglieder gar nicht, die sich im Eigenstudium auf die intensiven Probewochenenden mit dem Maestro vorbereiten – irgendwann einmal hat auch jede/jeder das Vorsingen bestanden – und genauso der schlussendlich hervorgebrachte wunderbare Gesamtklang. Jede und jeder Mitwirkende darf auch stolz auf sich selbst sein.

Für Markus Landerer ist die e-moll Messe Bruckners "ein Kunstwerk der Superlative. Bruckners gewaltiger kompositorischer Tiefgang verbindet sich mit den enormen Anforderungen für die Musizierenden immer wieder zu eindrücklichen Gänsehaut-Erlebnissen", und seine Musik schaffe es bis heute Rätsel aufzugeben, doch auch die Antworten darin zu finden. Mit reiner, teils achtstimmig angelegter Chorbesetzung (ohne Soli) und ausschließlich Holz- und Blechbläsern im Orchester sei diese Messe auch die eigenwilligste und radikalste. Die Uraufführung des Auftragswerks für den neuen Linzer Dom fand 1869 unter Bruckners Leitung wegen Bauverzögerungen im Freien statt.

In der Kapelle der Stella Privathochschule tragen die hervorragenden Musikerinnen der Sinfonietta Vorarlberg (je zwei Oboen, Klarinetten und Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen) – wunderbar abgestimmt durch den ruhig agierenden Dirigenten – den Chor mit seinen diffizilen langwierigen a cappella Stellen immer wieder in einen stimmigen Gesamtklang, verstärken, verlagern, ergänzen, treten in Dialog, ganz wie es diese außergewöhnliche Komposition verlangt. Markus Landerer ist sicher, "dass solche Werke musiziert werden müssen, die schwer in Worte zu fassen sind, auch deswegen ist die Musik Anton Bruckners essentiell".

Nicht nur als passenden Kontrast, sondern auch weil bei der zeitgenössischen Komposition von John Rutter dieselbe Bläserbesetzung eingesetzt wird, lässt Landerer noch ein Gloria – steht immer an zweiter Stelle einer Messe – erklingen. Zwischen der Entstehung liegen hundert Jahre, und es ist höchst spannend denselben Text "einmal als mystische, tiefgründige Klangkathedrale Bruckners" zu erleben und dem entgegengesetzt mit ganz unterschiedlicher Intention in der Tonsprache Rutters "ein schillerndes, diesseitiges Gotteslob": mit rauschendem Trompetenklang "Gloria in excelsis Deo", um zu zarten Frauenstimmen und Flötenklängen "Domine Deus, Rex caelestis" Frühlingsgefühle weckend, dann kleinlaut und wissend "miserere nobis", um endlich überzeugt "tu solus Altissimus" und übermütig sprühend „com sancto Spirito“ zu vernehmen, überall und nirgends, bis voller Freude feststeht, ja, so ist es, Amen!

 

Anton Bruckner: Messe Nr. 2 in e-Moll und John Rutter: Gloria.
Musikalische Leitung: Markus Landerer.
Chorakademie Vorarlberg, Sinfonietta Vorarlberg 
Samstag, 27. Jänner, 19.30 Uhr und Sonntag, 28. Jänner, 11 Uhr, Kapelle Stella Vorarlberg (früheres Landeskonservatorium) in Feldkirch.