Cannes 2011: Geballter Auflauf an Starregisseuren?

9. Mai 2011
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Der Direktor des Filmfestivals von Cannes Thierry Fremaux wird zwar erst am 14. April das Programm der 65. Ausgabe des prestigeträchtigen Festivals an der Côte d´Azur (11. bis 22. Mai 2011) bekannt geben, Spekulationen gibt es aber schon im Vorfeld und fix sind die Weltpremieren der neuen Filme von Woody Allen und – vor allem – von Terrence Malick.

Wie schon länger bekannt ist, wird das Festival heuer wieder einmal mit einem Film von Woody Allen eröffnet. Wie gewohnt wohl außer Konkurrenz wird "Midnight in Paris" laufen, mit dem der New Yorker nach London und Barcelona seine filmische Europareise fortsetzt. Allens nächste Station wird dann Rom sein, vorerst ist man aber vor allem auf den Auftritt von Sarkozy-Gattin Carla Bruni in der romantischen Komödie aus der Stadt der Liebe gespannt. Der französische Präsident könnte aber nicht nur über seine Gattin Gesprächsthema beim Festival werden, sondern womöglich auch durch Xavier Durringers Spielfilm "The Conquest", der vom Aufstieg Sarkozys und der Trennung von seiner zweiten Frau Cécilia Ciganer-Albéniz erzählt.

Abseits von solchen politischen- oder auch Seitenblick-Themen kündigt sich für Cannes nach dem schwächeren letzten Jahrgang zumindest von den Namen her heuer wieder eine geballte Ladung an Starregisseuren an. Terrence Malicks "The Tree of Life" hat man ja schon letztes Jahr an dieser Stelle erwartet, dann wurde er als Venedig-Starter gehandelt, erblickt nun aber doch erst heuer an der Croisette das Licht der Kinoleinwand, um dann gerade mal einen Monat später (16. Juni) in den deutschen Kinos anzulaufen. Ob die mit Sean Penn und Brad Pitt besetzte Familiengeschichte aus den 50er Jahren in oder außerhalb des Wettbewerbs gezeigt wird, ist unklar. Ganz im Gegensatz zu anderen Filmen gibt jedenfalls der Trailer von "The Tree of Life" erfreulich wenig über den Inhalt preis.

Anwartschaft auf eine Cannes-Teilnahme hat auch Nanni Moretti angemeldet. Er möchte erklärtermaßen, dass sein "Habemus Papam", in dem der Italiener von einem Psychiater erzählt, der den neu gewählten Papst behandeln muss, der sein Amt nicht antreten will und Panikattacken erleidet. Neben diesem früheren Cannes-Sieger (2001 mit "La stanza del figlio" ("Das Zimmer meines Sohnes") wird auch mit weiteren berühmten Stammgästen im Rennen um die Goldene Palme gerechnet.

Die Brüder Dardenne, die schon zweimal die begehrte Palme gewonnen haben (1999 für "Rosetta" und 2005 für "L´enfant"), werden ebenso mit ihrem neuen Film "The Kid with a Bike" erwartet, wie Gus Van Sant mit "Restless", der Türke Nuri Bilge Ceylan mit "Once Upon a Time in Anatolia" und Lars von Trier mit "Melancholia".

Während auch Aki Kaurismäki nach fünfjähriger Schaffenspause seinen neuen Film "Le Havre" dem Vernehmen nach rechtzeitig für Cannes fertig stellen dürfte, scheint Wong Kar-Wai mit "The Grandmasters" dies ebenso wenig schaffen wie Walter Salles mit seiner Jack Kerouac-Verfilmung "2 On the Road". Spekuliert wird auch, dass Pedro Almodovar "The Skin That I Inhabit" lieber auf einem späteren Festival zeigen will, das terminlich näher am spanischen Starttermin seines neuen Films im September liegt. Cannes-Chancen werden dafür Ulrich Seidl mit "Paradies" und dem britischen Künstler Steve McQueen mit "Shame" eingeräumt.

Auch regionale Überlegungen werden bei der Programmierung mitspielen. Frankreich wird beim eigenen Festival sicherlich mit mehreren Produktionen vertreten sein. Die Auswahl ist dabei mit André Techinés "Impardonnables", Bruno Dumonts "L´empire", Dominik Molls "The Monk", Christophe Honorés "Beloved" oder Marjane Satrapis und Vincent Paronnauds Realverfilmung von Satrapis Comic "Poulet aux prunes" groß. Wie in "Persepolis", dem Vorgängerfilm des Duos, geht es auch im neuen Projekt um das Leben in Satrapis Heimatland, spielt aber 1958 zur Zeit des Schahs und erzählt von den letzten acht Lebenstagen eines Verwandten der Autorin.

Stark vertreten sind in Cannes für gewöhnlich auch die Amerikaner, bei denen vor allem Alexander Payne, der mit "The Descendants" seinen ersten eigenen Kinofilm seit "Sideways" (2004) fertig gestellt hat, hoch gehandelt wird. Große Vorschusslorbeeren begleiten auch schon "We Need to Talk About Kevin" der Britin Lynne Ramsay und gespannt sein darf man, was Paolo Sorrentino nach seinem fulminanten "Il Divo" mit seinem ersten englischsprachigen Film "This Must Be the Place" vorlegt. Sorrentino erzählt darin mit Sean Penn in der Hauptrolle von einem alternden Rockstar, der den Mann zu jagen beginnt, der seinen Vater im KZ Auschwitz peinigte.

Schwächer dürfte heuer die Präsenz Asiens sein, mit dem Philippino Brillante Mendoza, in dessen "Prey" Isabelle Huppert eine Hauptrolle spielt, dem Japaner Hirokazu Kore-eda, der in "I Wish" von einem Kind erzählt, das seine geschiedenen Eltern wieder zusammenführen möchte, und dem Chinsesen Lou Ye ("Love and Bruises") werden aber auch hier drei Meisterregisseuren gute Chancen für eine Teilnahme am Rennen um die Goldene Palme gegeben. Aus Osteuropa sollen dagegen mit Alexander Sokurov, auf dessen "Faust" man schon bei der Berlinale vergeblich gewartet hat, und Andrey Zvyagintsev, der in "Elena" im Moskau von heute von einer Frau mittleren Alters erzählt, zwei renommierte russische Regisseure die besten Karten haben.

Und trotz der geballten Star-Power werden auch einigen Regisseuren Wettbewerbschancen zugetraut. Der Israeli Eran Kolirin ("Die Band von nebenan") könnte mit "The Exchange" dafür sorgen, dass auch der Nahe Osten präsent ist, Urszula Antoniak könnte nach ihrem großartigen Debüt "Nothing Personal" mit "Code Blue" eingeladen werden. Und wie von Almodovar und Wong Kar-Wai nimmt man auch von einigen anderen mit Spannung erwarteten Filmen schon jetzt an, dass sie wohl nicht in Cannes, sondern eher im Spätsommer in Venedig oder Toronto und San Sebastian laufen werden. Das gilt für David Cronenbergs Sigmund-Freud-Film "A Dangerous Method" ebenso wie für Andrea Arnolds "Wuthering Heights" und "Deep Blue Sea", den ersten Spielfilm des britischen Solitärs Terence Davies seit mehr als zehn Jahren.

Trailer zu "The Tree of Life"