Bruce Conner. Die 70er Jahre

Bruce Conners Experimentalfilme zählen heute zu den Vorläufern des MTV-Clips. Seit "A Movie", dem Found-Footage- Montagemeisterwerk von 1958 aus Wochenschaubildern und Filmausschnitten, wird sein Name in einem Atemzug mit den großen Avantgardisten des US-Independentfilms Stan Brakhage, Jack Smith, Jonas Mekas und Andy Warhol genannt. Bruce Conner, geboren 1933 in McPherson, Kansas, hat jedoch nicht nur neue Wege des Filmemachens aufgezeigt, sondern sich durch seine Arbeiten in unterschiedlichsten Medien immer wieder selbst neu erfunden.

Als bildender Künstler wurde er in den 1950er Jahren mit Assemblagen aus Nylonstrümpfen, Möbelteilen, kaputten Puppen und anderem Wohlstandsmüll bekannt. Für den Nonkonformisten waren künstlerische Identität und Authentizität variable Begriffe, die er kritisch und humorvoll hinterfragte. Ob er eine politische Kandidatur inszenierte, den Namen seines Freundes Dennis Hopper als Pseudonym verwendete oder sich selbst im Who’s Who in America 1972 für tot erklären ließ, zeitlebens entzog er sich künstlerischen, persönlichen und markttauglichen Kategorisierungen.

Die 1970er Jahre sind von einer lyrischen Formensprache gekennzeichnet, die sich vornehmlich in den Medien Zeichnung und Malerei manifestiert. Bruce Conner thematisiert Abstraktion anhand von Sinnbildern des Metaphysischen, des Transzendentalen, anhand von Motiven, die Repräsentationsmöglichkeiten des Numinosen oder Unbewussten anbieten: Tintenkleckszeichnungen, die an Rorschachtests erinnern, Mandalaformen in unzähligen Variationen oder Bilder aus Tausenden von kleinen weißen Punkten auf dunklem Grund, die Assoziationen mit dem Sternenhimmel hervorrufen. Eine Serie von Fotogrammen nannte der Künstler "Angel". Sie zeigen sich zunehmend auflösende Lichtfiguren, die durch den Abdruck des eigenen Körpers erzeugt wurden. Hinter den Grafiken aus "The Dennis Hopper One Man Show", die an die Collagenromane von Max Ernst erinnern, tritt Bruce Conner schließlich als Person ganz zurück, indem er eine künstlerische Methode kopiert und Autorschaft einem anderen überschreibt.

Mit einer umfangreichen medienübergreifenden Werkauswahl beleuchtet die Ausstellung formal-ästhetische Parallelen zwischen dem bildnerischen und dem filmischen Schaffen von Bruce Conner. Präsentiert werden über 100 Arbeiten, darunter Zeichnungen, Gemälde in Öl und Acryl, Lithografien, Druckgrafiken, Fotogramme und Fotografien sowie drei zeitgleich entstandene Filme: "Breakaway" (1966) mit der tanzenden und singenden Toni Basil,
"Crossroads" (1976), basierend auf Dokumentaraufnahmen von nuklearen Testversuchen auf dem Bikini-Atoll und "Marilyn Times Five" (1968), die Interpretation des "Evergreens I’m Through With Love" von einem Monroe Look-Alike. Ephemera von künstlerischen Aktionen im Geiste Duchamps, darunter Buttons, Zeitungsartikel, Poster, und dokumentarische Materialien, zeigen eine weitgehend unbekannte konzeptuelle Facette von Bruce Conner. Ein Highlight der Ausstellung ist die letzte, große raumgreifende Videoinstallation des Künstlers mit dem Titel "Three Screen Ray", ein Recyclingfeuerwerk seines filmischen Gesamtwerks mit dem Soundtrack "What’d I Say" von Ray Charles. In der Ursula Blickle Video Lounge laufen vom 8. Oktober bis 30. November 2010 die Musikfilme "America Is Waiting" und "Mea Culpa", produziert in Kollaboration mit Brian Eno und David Byrne sowie das Video zum Devo Hit "Mongoloid".

Das vielschichtige Werk von Bruce Conner verbindet die Leidenschaft für Musik von Soul bis Punk mit der radikalen Formschönheit von Hell-Dunkel Kontrasten und einem kritischen Blick auf Kunst und Gesellschaft. Bruce Conner starb 2008 in San Francisco, der Stadt, in der er einen Großteil seines Lebens verbracht hat. Er stand der Beat Generation mit ihrer freigeistigen Neudefinition des American Way of Life nahe, und ist trotz seiner Pionierleistungen auf vielen Gebieten ein Geheimtipp geblieben. Anlässlich der ersten Filmretrospektive kurz nach seinem Tod am Harvard Film Archive nannte man ihn den "letzten Magier des 20. Jahrhunderts".

Begleitend zu der Ausstellungen erscheint die erste deutschsprachige Monografie zum Werk von Bruce Conner mit Texten von Gerald Matt, Barbara Steffen, Malcolm Turvey, Michelle Silva und Thomas Miessgang, einem Interview mit Bruce Conner von Peter Boswell und einem Interview mit Jean Conner von Gerald Matt. Hg. Ursula Blickle Stiftung, Ursula Blickle, Kunsthalle Wien, Gerald Matt, Barbara Steffen. Deutsche und englische Ausgabe, ca. 220 Seiten, ca. 150 Abbildungen.

Bruce Conner. Die 70er Jahre
Malerei / Zeichnung / Film
8. Oktober 2010 bis 30. Jänner 2011