Billigung einer Straftat

16. Mai 2011 Kurt Bracharz
Bildteil

Ein Aspekt der Liquidierung des offiziellen Al-Quaida-Chefs Osama Bin Laden durch die Navy Seals erinnert deutlich an amerikanische Thriller in Buch-, Film- oder Videospielform, und damit ist jetzt nicht die Art der Durchführung gemeint, die man keineswegs wie zum Beispiel der Chefredakteur der schweizerischen "Weltwoche" für eine "militärisch brillant ausgeführte Kommandoaktion" halten muss.

Wenn man den prominentesten Saudi ohnehin töten wollte, seine Leiche nicht auszustellen beabsichtigte und weitere Opfer als Kollateralschaden in Kauf nahm, hätte man ökonomisch weitaus günstiger das Haus in Schutt und Asche legen können, ohne es stürmen zu müssen. Dann hätte man zwar Bin Ladens To-do-Listen, Telefonnummernregister, Wäschezettel usw. nicht gefunden, aber an deren nachrichtendienstlichen Wert darf gezweifelt werden, auch wenn eine Erfolgsmeldung nach der anderen über die Ticker kommt.

Die Ähnlichkeit der Aktion mit vielen US-Thriller-Plots besteht darin, dass in Letzteren immer wieder so getan wird, als könne eine einzelne Person oder ein einzelnes Objekt etwas Weltbewegendes sein, von dem in der Realität das Schicksal einer großen Anzahl von Menschen abhinge. Das ist natürlich Quatsch. Wenn Bin Laden, der Terrorist im Ausgedinge, weiterhin in seiner pakistanischen Villa alte Filme von sich selbst angesehen und von Zeit zu Zeit ein neues Video mit vollmundigen Drohungen abgelassen hätte, wäre die Welt dadurch keine schlechtere geworden.

Die Entscheidungen liegen längst woanders, und jeder getötete junge Taliban-Kämpfer oder liquidierte ISI-Doppel-Agent müsste für jemanden wie Angela Merkel mehr Grund zur Freude sein als der Tod des außer in der amerikanischen Mythologie marginal gewordenen Bin Laden. Dass ein Hamburger Richter Merkels recht naive, jedenfalls undiplomatische Äußerung, sie freue sich, dass es gelungen sei, Bin Laden zu töten, als Tatbestand der "Billigung einer Straftat" vor Gericht bringen will, ist eine Pointe, die anderswo als in Deutschland kaum denkbar ist.