Bestandsaufnahme des Jüdischen Museums München und des Münchner Stadtmuseums zur Geschichte der Displaced Persons

Das Ausstellungsprojekt "München Displaced" stellt eine Vielfalt an Erfahrungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit in München vor. Erstmals steht die heterogene Gruppe der Displaced Persons (DPs) im Mittelpunkt, also Personen, die im Zweiten Weltkrieg ins Deutsche Reich verschleppt wurden oder dorthin geflohen sind und sich 1945 in München befanden.

In zwei parallel laufenden Ausstellungen im Jüdischen Museum München und im Münchner Stadtmuseum werden die Erfahrungen und Erzählungen von DPs unterschiedlichster Herkünfte und Religionszugehörigkeiten in einen lokalhistorischen Zusammenhang gebracht. Ihr Erleben und ihre Schicksale in den unmittelbaren Nachkriegsjahren Münchens werden als wichtiger Referenzpunkt für die Einwanderungsgeschichte herausgearbeitet.

Das Jüdische Museum München beleuchtet unter dem Ausstellungstitel "München Displaced. Der Rest der Geretteten" die lokale Infrastruktur der jüdischen DPs in München. Dabei wird die Gegend rund um die Möhlstraße im Stadtviertel Bogenhausen beschrieben, das nach 1945 mit zentralen Einrichtungen wie der amerikanisch-jüdischen Hilfsorganisation "Joint", dem Zentralkomitee der befreiten Juden sowie vielen Lebensmittelläden und koscheren Restaurants von immenser Bedeutung war. Auch die Existenzgründungen jüdischer DPs in München nach 1945 und Antisemitismus in der Nachkriegszeit, die Eröffnung der wiederhergestellten Synagoge Reichenbachstraße 1947 und die "Ausstellung der jüdischen Künstler" 1948 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus werden anhand erstmals gezeigter Ausstellungsstücke thematisiert. Das Jüdische Museum München verweist auf viele weitere Adressen, die zum Alltagsleben, zur Geschichte und zur Kultur der jüdischen DPs gehörten und heute längst wieder gänzlich losgelöst von dieser temporären jüdischen Perspektive existieren. Die Idee dazu folgt der jiddischen Informationsbroschüre "Der Najer Jidiszer Wegwajzer fun di wichtigste Institucjes in Minchen" aus der DP-Zeit.

Das Jüdische Museum erhofft sich, von Nachkommen ehemaliger DPs zusätzliche Adressen, Informationen und Erinnerungsstücke zu erhalten. So können Museumsbesucher:innen unmittelbar die weitere Sammlungs- und Forschungsarbeit zum Thema unterstützen.

Das Münchner Stadtmuseum nähert sich unter dem Ausstellungstitel "München Displaced. Heimatlos nach 1945" dem vergessenen Schicksal und den Erzählungen von etwa hunderttausend DPs an, die sich 1945 in der Stadt befanden. Erstmals wird die Nachkriegsgeschichte von ehemaligen Zwangsarbeiter:innen, Kriegsgefangenen, politischen KZ-Häftlingen sowie Geflüchteten auf Basis einer breit angelegten Forschung für die Stadt und den Landkreis München dargestellt. Einige dieser Displaced Persons verbrachten Monate oder Jahre in DP-Lagern, in denen sie die Ausbildung für ihr zukünftiges Leben selbst in die Hand nahmen.

Bildungseinrichtungen wie das russischsprachige Gymnasium im Lager Schleißheim, die internationale UNRRA-Universität im Deutschen Museum, die Ukrainische Freie Universität oder die Tolstoi Bibliothek werden vorgestellt. Obwohl alle Displaced Persons in ihre Herkunftsländer zurückkehren oder später in andere Länder auswandern sollten, blieben Tausende in München. Die Familienbiografien von ukrainischen, armenischen, kalmückischen und russischen Münchner:innen werden anhand der Wohnsiedlung Ludwigsfeld vorgestellt. Indem die Ausstellung den sehr heterogenen Displaced Persons aus Osteuropa anhand von Fotografien, Audioaufnahmen und Videointerviews ein Gesicht gibt und ihre Geschichten erzählt, wird eine erinnerungskulturelle Leerstelle ersichtlich. Der Forschungsstand wird durch ein Panorama von rund 40 weiteren Adressen zur Münchner DP-Geschichte erweitert, die die Vielfalt einerseits und die Lücken in der Forschung andererseits veranschaulichen.

Die gemeinsame Bestandsaufnahme des Jüdischen Museums München und des Münchner Stadtmuseums zur Geschichte der Displaced Persons eröffnet einen neuen Blick auf das München der Nachkriegszeit.

München Displaced.
Heimatlos nach 1945
5. Juli 2023 bis 7. Januar 2024